Sitte und Anstand sind das Letzte

Jemand (Quelle unbekannt) hat über die in unserer Postmoderne aufwachsende Generation einmal gesagt:

People belong before they believe before they behave.

Soll heißen:

Menschen wollen dazugehören, bevor sie glauben können, bevor sie einen christlichen Lebensstil ausleben wollen.

Ich glaube zutiefst, dass daran ziemlich viel stimmt. Im 19. Jahrhundert gab es noch ein massives christliches Fundament in unserer abendländischen Kultur. Nur die wenigsten hätte damals ihren christlichen Glauben offen in Frage gestellt – deshalb konzentrierte sich so manche Kommunikation von der Kanzel auf Sitte und Anstand – eben den christlichen Lebensstil.
Spätestens im 20. Jahrhundert schlug die Moderne zu: Eigene Erkenntnis, Wissensvermehrung und später auch ein ungebremster Individualismus waren gefragt. Was ist wahr, was trägt – es war das Jahrhundert der Ideologien. Folgerichtig trat vor der Frage nach dem christlichen Lebensstil die Frage nach dem christlichen Glauben des Einzelnen: Wie sieht es aus zwischen Gott und dir?
Und heute scheint schon wieder alles anders, zumindest für die unter 35-Jährigen in unserer westlichen Kultur: Gemeinschaft wird wichtiger, Ausprobieren können. Wir fragen selten danach wie wir uns zu verhalten haben, oder was wir für wahr halten – sondern danach zu welchem Stamm, Gruppe, Interessensgemeinschaft wir gehören, welche gemeinsamen Erfahrungen wir teilen. Nach vielen Jahren Individualismus wird die Sehnsucht wieder größer, zu etwas Größerem als wir selbst zu gehören.

Menschen wollen dazugehören, bevor sie glauben können, bevor sie einen christlichen Lebensstil ausleben wollen.

Deshalb greift es zu kurz, wenn Kirchen und Gemeinden Sitte, Anstand und christliche Moral predigen. Und es greift auch zu kurz, wenn der Türhüter vor dem Eintritt ins Gemeinde-Erleben die Gretchenfrage nach dem eigenen Verhältnis zur biblischen Wahrheit fragt. Menschen wollen dazugehören – und wenn es gut läuft, wird im Dazugehören ein ganz persönlicher und echter Glaube lebendig – und wenn es gut läuft, schlägt sich dieser Glaube dann in einem fruchtbaren, authentischen, anziehenden christlichen Lebensstil nieder.
Wie gut, dass Jesus alle drei Etappen begleitet und Menschen in allen drei Etappen ihres Weges begegnen will. Hat er nicht gesagt: „Komm und sieh“? Hat er nicht gesagt: „Ich bin der Weg (dazugehören), die Wahrheit (glauben) und das Leben (Lebensstil)“?
In dieser Hinsicht – und nur in dieser Hinsicht – sind Sitte und Anstand heute das Letzte, was junge Menschen suchen die sich mit dem christlichen Glauben beschäftigen.

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