Einheit

„So redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, […] ich bitte für die, die du mir gegeben hast [… und …] auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“
Ein Auszug aus dem berühmten Gebet von Jesus für seine Freunde, überliefert im Johannesevangelium (Kapitel 17). Ein langes Gebet, für heutige Ohren eine etwas umständliche Grammatik – und mittendrin das Gebet um Einheit.
Neulich bei einer Andacht in einem Meeting ist mir zum ersten Mal so richtig aufgegangen, wen Jesus da um Einheit bittet: Nicht seine Freunde, um deren Einheit es eigentlich geht. Sondern Gott als „Einheitsgeber“. Kann man daraus ableiten, dass die Sorte Einheit, die Jesus da im Sinn hat, eine übernatürliche Einheit ist? Etwas, das mit menschlichen Mitteln nicht machbar ist und über ein mitteleuropäisch-bürgerliches „jetzt vertragt euch doch bitte und lasst uns an einem Strang ziehen“ weit hinausgeht? Etwas, wofür man nur beten kann?
Ich glaube ja – die Einheit unter Leuten, die Jesus nachfolgen, ist letztlich menschlich nicht vollständig erklärbar. Da kommen Leute zusammen, die sonst kein halbes Bier spannungsfrei zusammen trinken würden: „Jude und Grieche, Sklave und Freier, Mann und Frau“ (Galater 3,28). Und man merkt von außen – dafür betet Jesus hier – irgendwie ist da mehr als die Summe der Teile, mehr als ein gemeinsames geistliches Interesse, mehr als eine spirituelle Schicksalsgemeinschaft.
Natürlich trägt jeder Christ auch eine Eigenverantwortung für diese Art von Einheit. Deshalb gibt es im Neuen Testament genug konkrete Aufforderungen, der Einheit wie sie Jesus wichtig ist, nicht im Weg zu stehen: „Seid darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist“ (Epheser 4,3). Aber diese „Einheit im Geist“ ist ganz klar mehr als eine rein bürgerliche Hausordnung mit klaren Anweisungen, sich zusammen zu reißen, den Müll pünktlich rauszubringen und den Rasen nicht zu betreten. Es ist ein Geschenk Gottes an alle, die sich beschenken lassen. Jesus hat für seine Freunde um dieses Geschenk gebetet.
Beten wir dafür? Und – wenn wir es in Empfang genommen haben – was machen wir damit?

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