Wie Facebook Kunden wieder zu Königen macht

„Bei uns ist der Kunde König“, tönt die Hochglanz-Werbung vom Baumarkt bis zum Elektronikfachhandel. Jedenfalls so lange, wie er einkaufen kommt, pünktlich bezahlt – und weiter keine Fragen stellt. Sollte es tatsächlich mal Probleme geben, wird der markige Marketing-Spruch vom Kunden als König schnell auf die Probe gestellt. Und nicht selten findet sich der Kunde in der Rolle von Prince Charles wieder: Mit Hochglanz-Titel – aber in der Realität völlig machtlos.
Zum Beispiel Kaufland: Vor einigen Wochen wollte ich zwei leere CO2-Patronen meines Wassersprudlers gegen volle tauschen. Eigentlich eine Routineaufgabe für die Mitarbeiter an der Kaufland-Infotheke – aber nicht an diesem Tag. „Wir haben keine großen Patronen mehr da, wir wissen auch nicht, wann wir neue kriegen“, so die nüchterne Auskunft der Infothekistin, aber (da der Kunde ja König ist) sie konnte mir statt der großen Patronen kleinere mit geringerer Füllmenge anbieten. „Die passen genauso wie die großen Patronen, und Sie können die später jederzeit wieder in große zurücktauschen“. Klare Sache, schien es mir. Fühlte mich ein bisschen als König, hab die Füllung bezahlt und die kleinen Patronen mit nach Hause genommen.
Kleine Patronen – großer Fehler.
Sie passten natürlich nicht, völlig anderes Gewinde. Und damit begann die Lehrstunde für mich als Kunde, das ich zwar den Titel „König“ führen mag und wie Prince Charles Reden halten kann, ansonsten aber völlig machtlos bin.
Eine Woche später – ich hatte den Kassenbon nicht aufgehoben – weigerte sich eine zweite Kollegin an der Infotheke, die Flaschen umzutauschen. „Ohne Kassenbon können wir da nichts machen“. Falsche Beratung hin oder her.
Noch eine Woche später – ich war inzwischen zu verzweifelten Opfern bereit – weigerte sich eine dritte Kollegin an der Infotheke, die Flaschen überhaupt zurückzunehmen, selbst wenn ich die Füllung ein zweites Mal bezahlen würde. „Ich darf einfach kleine Flaschen nicht gegen große tauschen“. Exakt das Gegenteil des Versprechens von Kollegin Nr. 1, die mir den ganzen Schlamassel eingebrockt hatte. Der zuständige Abteilungsleiter war nicht zu sprechen (nur zu Bürozeiten zu erreichen – aber Kunde König muss ja selbst auch arbeiten gehen), der Filialleiter war im Urlaub (es sei ihm gegönnt). Und jedes Mal, wenn ich mit meinen immer noch nicht umgetauschten kleinen Flaschen im Einkaufswagen durch die Kasse wollte, musste ich erklären wo ich die her hatte und die einstudierte Frage beantworten, ob „mit meinem Einkauf alles in Ordnung“ sei. Als König machte ich in diesen Situationen rege von meinem Rederecht Gebrauch, worauf mir nur große Hilflosigkeit begegnete („Probieren Sie’s doch mal beim Rewe“).
Selbst der Macht von Königen scheinen Grenzen gesetzt zu sein. Der Laden hatte mir ein Problem bereitet und weigerte sich nun beharrlich, es auch wieder zu lösen – selbst dann, wenn ich selbst für diese Lösung bezahlen würde. Mit einer ordentlichen Ladung Wut im Bauch legte ich die beiden nutzlosen CO2-Flaschen auf die Infotheke: „Ich hab keine Lust mehr auf dieses Spiel. Ich schenke Ihnen diese Patronen!“. Auch von einem zögerlichen Abwehr-Versuch („Ich sagte Ihnen doch, ich darf die nicht zurücknehmen“) ließ ich mich jetzt nicht mehr aufhalten: „Das ist jetzt nicht mehr mein Problem, mir gehören die Flaschen jetzt ja nicht mehr“.
Auch wenn ich mich kurzzeitig besser fühlte (Jede Handlung ist besser als erlittene Machtlosigkeit) teilte ich wohl gerade die Erfahrung unzähliger entmachteter Kunden-Könige, die von Call-Centern, Kundendienst-Hotlines und Service-Helpdesks landauf, landab so lange hingehalten, vertröstet und an die eigene Machtlosigkeit gewöhnt werden, bis sie sich in die Resignation fügen und wohl oder über als König Kunde abdanken.
Ich kam nach Hause, und der Frust musste raus. Irgendwohin. Wo kann man schnell und einfach vielen Leuten mitteilen, dass man sich ungerecht behandelt fühlt? Richtig – bei Facebook! Und es kam noch besser – bei Facebook gibt es tatsächlich eine Kaufland-Fanpage, die sozial vernetzt den hervorragenden Kundenservice der Firma anpreist. Wo wenn nicht dort konnte ich besser meine monarchistischen Machtansprüche geltend machen? Ich würde jetzt die Medien-Öffentlichkeit über die unglaublichen Vorkommnisse an der örtlichen Infotheke informieren!
Der Rest ist ein Traum in Sachen Kundenservice – anders kann man es nicht beschreiben. So schräg es in der Filiale aus Stein gelaufen war, so professionell lief es in der virtuellen Community: Weniger als zwei Stunden, nachdem ich meine Geschichte auf der Kaufland-Fanpage gepostet hatte, hatten sich die für Facebook zuständigen Kaufland-Mitarbeiter bei mir gemeldet und zugesagt, der Sache nachzugehen. Weniger als acht Stunden später hatten mit dem stellvertrenden Filialleiter die Rücknahme der falschen Flaschen organisiert, sich entschuldigt und mir eine Gutscheinkarte zusenden lassen.
Inzwischen habe ich meine großen CO2-Flaschen wieder, das Geld für die Füllung der kleinen zurück, und fühle mich wieder als König. Und beantworte die traditionelle Frage an der Kasse, ob mit meinem Einkauf alles in Ordnung gewesen sei, wieder gerne mit einem traditionellen „Ja“. Denn Könige stehen auf gute Traditionen.
Viele Unternehmen überlegen, wie sie soziale Netzwerke für ihre Markenbotschaften nutzen können. Bitte nicht – ich brauche nicht noch einen Kanal, über den ich höre, dass ich als Kunde König bin. Was ich wirklich brauche, ist ein Kanal, der mir tatsächlich die Macht gibt, es gegenüber dem Unternehmen auch zu sein.

0 Antwort
  1. Wolfgang

    Wird offensichtlich Zeit, dass ich mich bei Facebook anmelde.
    Bisher klappte die Reklamationsschien allerdings auch ganz gut über den postalischen Weg.
    Gut dass du deine Wut nicht am Hund oder dem Kanarienvogel ausgelassen hast…
    Gutes sprudeln!

  2. Pixelpastor

    @Wolfgang: Das Problem ist nicht die Wut – das Problem ist, die eigene empfundene Machtlosigkeit (obwohl man im Recht ist) in eine konstruktive Handlung ummünzen zu können.

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