Warum „christlich“ keine gute Marke ist

Eine gute Marke ist profiliert, sagen Marketingfachleute. Sie ist mit einer beabsichtigten Bedeutung „aufgeladen“. Sie vermittelt eine klare Botschaft: Jeder weiß, was sie bedeutet. Das alles ist die Marke „christlich“ nicht.

„Christ“ ist keine geschützte Marke. Keine eindeutig positionierte Marke. Keine scharf definierte Marke. Im Neuen Testament taucht die Bezeichnung nur dreimal auf – und dann auch nur als abschätzige Bezeichnung, die den Jesus-Nachfolgern des 1. Jahrhunderts von Kritikern verpasst wurde. Diese… Christen!

Deshalb verwundert es kaum, dass man heute fast alles und jedes unter dem Label „christlich“ firmieren, propagieren und verkaufen kann. Zu fast jedem politischen, ethischen oder gesellschaftlichen Thema finden sich auf beiden Seiten der Diskussion Menschen mit dem Aufkleber „Christ“. Fast alles, was sich irgendwie – und sei es über drei Ecken – mit Jesus Christus, der Kirche oder abendländischen Moralvorstellungen in Verbindung bringen lässt, wird heute als „christlich“ etikettiert. Und wenn nicht von den Vertretern der „Sache“ selbst, dann auf jeden Fall abschätzig von ihren Kritikern.

Fast so wie im 1. Jahrhundert.

Und weil das Label „Christ“ so unscharf , undefiniert und verschwommen daher kommt, verlangt es seinen Trägern auch kaum etwas ab. „Christ“ kann man einfach so sein. Oder „sich bemühen es zu sein“. Oder „die beneiden die es sein wollen“. In unserer pluralistischen und individualistischen Gesellschaft ist „Christ“ zu einem von tausenden möglichen fashion statements geworden. So wie ich mir mit den weißen iPod-Kopfhörern ein Label aufklebe (das mir außer Geld nichts abverlangt) oder bei Starbucks Lifestyle-Kaffee schlürfe (OK, der schmeckt wirklich lecker. Verlangt mir außer Geld aber auch nichts ab), bin ich eben mit dem Label „Christ“ unterwegs.

Ganz anders als im 1. Jahrhundert.

Damals war das Label „Christ“ enorm teuer. Denn es war mit enormen Konsequenzen verbunden für den, der damit in Verbindung gebracht wurde. Das finde ich irgendwie passend – denn Jesus selbst hat die zu einem Leben in Konsequenz herausgefordert, die ihm nachfolgen wollten. Und nicht zu einem Label. Steht so in Markus 8,34:

„Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“

Die, die seinem Ruf folgten, haben sich denn auch „Nachfolger“ genannt. „Jünger“. Die Anhänger des „Weges“. Wer zu Jesus gehörte, hatte eine neue Richtung in seinem Leben eingeschlagen. Wer zu Jesus gehörte, für den war seine Nachfolge kein fashion statement. Wer zu Jesus gehörte, der versuchte so zu leben wie Jesus es an seiner Stelle auch getan hätte.

Und heute?

Niemand wird das verschwommene, mißbrauchte und mißverständliche Label „Christ“ nach 2000 Jahren neu und anders definieren können. Ganz ehrlich, ich habe die Nase voll. Nicht von Christus, sondern von unserem heutigen Adjektiv „christlich“. Vielleicht wäre das Verständnis der Jesus-Nachfolger aus dem 1. Jahrhundert auch heute eine bessere Definition für die, die zu Jesus gehören:

Wer zu Jesus gehört, der versucht so zu leben wie Jesus es an seiner Stelle auch tun würde.

Egal, wie man das dann nennt.

5 Antworten
  1. Jordanus

    das ist so ähnlich wie der Begriff „Werte“. der hängt mir auch zum hals raus. darunter verstehen die, die auf den privilegien sitzen, das alles gefälligst so bleiben soll, wie es ist. es gibt da einen schönen aufsatz vom dunklen heidegger, dass das auch nur eine andere form von nihilismus ist.

  2. Rainer

    Wollt ihr denn auch kein christlicher Sender mehr sein? Oft wird ja christlich durch gläubig, biblisch, bibeltreu oder evangelikal ersetzt oder ergänzt. Christlich ist kein Lockstoff mehr, das stimmt. Aber es ist auch kein Reizwort. Denke, du knüpfst an die „Mittelmaßdebatte“ an. Dass die Christlichen heute keine AT- oder NT-Helden und Märtyrer mehr sind, kann man Ihnen aber auch nicht vorwerfen, finde ich.

    1. Alexander Hiemann

      Alexander vorwerfen solte man das sowieso niemanden,wir alle haben doch selber einen Spiegel“und ich denke da kann ja wohl genug an seinen eigenen unzulänglichkeiten immer wieder sehen,ich glaube es ist schon wichtig für uns alle wennigstens darüber zu reden(oder zu schreiben)möglicherweise gibt es Dinge die man sich nicht selber sagen kann,sondern nur ein anderer“in jeden seiner Muttersprache

  3. Sorina Munteanu

    Unfortunately, the christians are so many times not so sure about what their spiritual identity really consists of. We declare ourselves, and sometimes with arrogance, „Christians“. But what does this mean? A name? A word written on our identity card or on our passport? A reason to attend the Church only because „we must“ and because „all the people do so“, according to a „tradition“ which means nothing but an empty formality?
    Is our identity as Christians a name, a „formal tradition“, a collection of wonderful, but empty words? Or is this identity our life in itself, that we dedicate to God with all its essence and with all its better and less better sides?
    God, enlighten our mind so overwhelmed by the darkness of formality, so we might never forget that not everyone who shouts „Lord, Lord“ will come into the kingdom of heaven… Help us to discover again and again our Christian identity when we praise You only with our life according to your commandments.

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