Verbalplacebo

Ich mag das S-Wort nicht. Meistens stößt es mir auf, wenn mein Gegenüber es im Gespräch einsetzt, und manchmal ertappe ich mich auch selbst dabei. Dabei will das S-Wort alles andere als Aufstoßen – im Gegenteil. Denn es ist das sprachliche Äquivalent einer wirkungslosen Tablette, ein Verbalplacebo. Dieses S-Wort lautet:
Spannend.
Das S-Wort suggeriert dem Gegenüber emotionale oder intellektuelle Anteilnahme (oder beides), investiert dafür aber nicht mehr als ein einsames Adjektiv, das dem Gesprächspartner mit bedeutungsschwangerer Pause hinübergereicht wird. „Spannend“ simuliert Gefühle, die gar nicht existieren, denn würden sie existieren, würde dem Sprecher ja mehr einfallen als nur das einsame S-Wort. „Spannend“ sagt der, der eigentlich nichts zu einem Thema beizutragen hat, es aber auch nicht hinkriegt, einfach mal nichts zu sagen.
„Spannend“, das  ist in Sprache gefasste Sprachlosigkeit, eine Art „Facebook-Like“ in einem Zwiegespräch, das auch nicht mehr bedeutet als der blaue Daumen im sozialen Netzwerk: Gesehen. Zur Kenntnis genommen. Aha. Du hast was gesagt… Spannend.
Ich habe beschlossen: Ich will es nicht mehr sagen. Und ganz ehrlich: Ich will es auch nicht mehr hören.
Spannend, oder?

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