Mensch aus Glas

Was Überwachungsgesetze und Anti-Terror-Maßnahmen bisher nicht geschafft haben, schaffen wir Internet-Nutzer eben selbst: Den Menschen aus Glas, von dem jeder jederzeit weiß, wo er sich aufhält und was er dort gerade tut.
Und zwar völlig freiwillig und auch noch mit Spaß dabei. Möglich machen es zwei kostenlose Online-Dienste, die in letzter Zeit so richtig in Mode gekommen sind (und von denen ich einen gerade im Selbstversuch teste).
Für das „Wo“ des Menschen aus Glas sorgt ein neuer Dienst der Großen Datenkrake: Google Latitude. Jeder, der ein GPS-fähiges Smartphone sein eigen nennt, kann die restlichen 3 Milliarden vernetzten Bürger dieses Planeten darüber informieren, wo er sich gerade aufhält. Und zwar in Echtzeit. Wer doch lieber etwas mehr Privatsphäre hätte oder Googles Leitmotto „Don’t be evil“ („Tue nichts Böses“) nicht weiter traut als er es übersetzen kann, kann die Veröffentlichung seines gegenwärtigen Längen- und Breitengrades auf einen selbst festgelegten Freundeskreis einschränken. Endlich braucht man also keine SMS mehr zu schreiben, in welcher Pizzeria man auf den Rest der Clique wartet – die Nachzügler sehen das ganz von alleine.
Jetzt wo wir wissen, an welchem Ort sich welcher Bekannte aufhält, interessiert uns natürlich brennend: Was tut er oder sie denn da eigentlich? Hier kommt Twitter ins Spiel – eine Art SMS-an-alle-Netzwerk. In 140 Zeichen posten Millionen angeschlossener Nutzer gleichermaßen Realistisches wie Belangloses über ihre augenblicklichen Tätigkeiten. Von „Pizza war gerade aber nix“ bis zu „Flugzeug in den Hudson gestürzt. Krass…“ reicht die Bandbreite. Das ganze funktioniert, weil wir alle wahnsinnig neugierig sind, was unsere Freunde und Bekannten denn gerade so machen (Deshalb lautet auch einer der häufigsten ersten Sätze am Telefon „Und – was machst du gerade“?). Braucht man nicht mehr fragen – wenn man Twitter hat.
Ich will natürlich wissen, was dran ist, und habe einen kleinen Selbstversuch gestartet. Die realistischen Belanglosigkeiten meines bescheidenen Alltags gibt’s ab sofort unter twitter.com/pixelpastor. Für alle 3 Milliarden Nutzer da draußen, die genau darauf gewartet haben.
Nur eine Frage konnten mir bisher weder Google Latitude noch Twitter beantworten: Warum haben wir seit der Aufklärung einen Gott so vehement abgelehnt, der jederzeit weiß wo wir sind und was wir tun – nur um jetzt aller Welt diese Daten freudestrahlend und freiwillig zu liefern? Würde Gott mit diesen Informationen möglicherweise nicht verantwortungsvoller umgehen?

0 Antwort
  1. Wahrscheinlich haben die meisten Leute gar keine Ahnung, was es bedeutet, Sachen ins Netz zu stellen (Ich erinnere mich da an diese Webseite auf der stand: „Diese Seite ist ab heute geschlossen, da mein Vater sie gefunden hat. Weiter geht es auf einer neuen Seite, mit anderer Adresse.“, da hat wohl einer das Prinzip von „weltweit zugänglich“ nicht verstanden).
    Außerdem sagt Google ja von sich „don’t be evil“ und Gott sagt zu den Menschen „don’t be evil“, keine Frage, was sich da besser anhört 😀
    Aber Spaß beiseite, der Artikel ist ganz gut. Wobei ich mir bei der Überleitung zu Gott nicht sicher bin, wie viele nicht an Gott glauben, weil er ihnen nicht gefällt (nur an das zu glauben, was einen gefällt, ist ja auch ein bisschen dumm. Genauso dumm wäre es, als Christ an Gott zu glauben, weil man es schön fände, wenn es in gäbe.)

  2. Wahrscheinlich haben die meisten Leute gar keine Ahnung, was es bedeutet, Sachen ins Netz zu stellen (Ich erinnere mich da an diese Webseite auf der stand: „Diese Seite ist ab heute geschlossen, da mein Vater sie gefunden hat. Weiter geht es auf einer neuen Seite, mit anderer Adresse.“, da hat wohl einer das Prinzip von „weltweit zugänglich“ nicht verstanden).
    Außerdem sagt Google ja von sich „don’t be evil“ und Gott sagt zu den Menschen „don’t be evil“, keine Frage, was sich da besser anhört 😀
    Aber Spaß beiseite, der Artikel ist ganz gut. Wobei ich mir bei der Überleitung zu Gott nicht sicher bin, wie viele nicht an Gott glauben, weil er ihnen nicht gefällt (nur an das zu glauben, was einen gefällt, ist ja auch ein bisschen dumm. Genauso dumm wäre es, als Christ an Gott zu glauben, weil man es schön fände, wenn es in gäbe.)

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