Zwölf Tage Mönch

Ganz am Anfang war es ein bisschen beklemmend, aber das hielt nur solange an, bis ich die Rituale so einigermaßen drauf hatte […] nach zwei Tagen war dieses Einfügen in einen rituell bestimmten Tagesablauf eine Wohltat für die Seele […] Wir Leute in der Welt leben im Irrtum, Spaß im Leben ließe sich nur durch Abwechslung herstellen. in Wahrheit powern uns die immer neuen Kicks, mit denen wir uns aufkratzen, seelisch aus. Die Mönche suchen Freude, nicht Spaß. Nur sehr oberflächliche Betrachter nennen das Monotonie.

Auszüge aus einem hochinteressanten Cicero-Interview mit Bernhard Meuser, der zwölf Tage mit den Mönchen im Zisterzienser-Kloster Heiligenkreuz gelebt und ein Buch über seine Erfahrungen geschrieben hat. Schon in dem Interview räumt Meuser mit gängigen Vorurteilen über das Leben hinter Klostermauern auf – zum Beispiel der verächtlichen Vermutung, dass dort vor allem im „wahren Leben“ gescheiterte Existenzen glücklich würden.
Für Meuser wird auch die geistliche Dimension des Klosterlebens sehr greifbar:

[Die Mönche] halten die Welt offen auf etwas Größeres hin, für das wir den Namen Gott haben […] Wenn es Gott nicht gibt, hatten sie ein absurde Existenz. Wenn es ihn gibt, haben sie ein prophetisches Leben geführt […] Immer wieder sprechen Mönche von einer Art Liebesgeschichte mit Gott. Es gibt Leute, die Gott als sehr nahe erfahren. In ihrem Leben nimmt Gott plötzlich den zentralen Platz ein.

Man muss nicht Mönch werden, um eine „Art Liebensgeschichte mit Gott“ zu erleben. Aber zwölf Tage auf Tuchfühlung mit Menschen wie den Zisterziensern reicht aus, um neugierig zu werden auf einen Lebensstil, der sich nicht vereinnahmen lässt vom „totalitären Zugriff unserer Gesellschaft und ihrer Wirtschaftsstrukturen“ (Meuser).
Christen und Nichtchristen – lassen wir uns gegenseitig so nahe aneinander heran?

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