Vom Hören zum Sehen

Was ich an der Bibel liebe, sind unter anderem kleine funkelnde Details. Wenn man nicht genau hinsieht, übersieht man sie – wie glitzernder Diamantstaub auf schwarzem Samt. Manchmal muss man sie gegen das Licht halten und mit einem ganz bestimmten Blickwinkel draufschauen, damit sie Licht in unsere Augen fallen lassen.
Heute bin ich mal wieder über so ein kleines funkelndes Detail gestolpert. Versteckt mitten in Psalm 48. Dort heißt es in Vers 9:

„Wie wir gehört haben, so haben wir es gesehen in der Stadt des Herrn der Heerscharen, in der Stadt unseres Gottes; Gott wird sie fest gründen bis in Ewigkeit.“

Wie wir gehört haben, so haben wir gesehen… Sehen und Hören stehen in einer eigenartigen Beziehung zueinander. Schon in so manchen Redewendungen der deutschen Sprache: Wir reden davon, dass wir „…Augen und Ohren offenhalten“. Oder: „…dass uns Hören und Sehen vergeht“.
Wie wir gehört haben, so haben wir gesehen… Bei diesem Hören geht es zuerst um ein Zu-Hören. Um ein Hören, Glauben und Vertrauen auf etwas, das andere Menschen aus ihrem Wissen und ihrer Erfahrung berichten. Ich höre es – und noch ist völlig offen, wie ich mich dazu verhalten werde. Schenke ich dem ge-hör-ten Glauben? Oder halte ich es für uner-hört, für unbewiesenes Hören-sagen?
Der (bzw. die) Dichter von Psalm 48 haben etwas gehört von der Herrlichkeit Gottes, wie sie sich im alttestamentlichen Schicksal der Stadt Jerusalem zeigt. Für Juden damals der Ort, an dem sich Gott als Gott immer wieder gezeigt hat. Ganz sichtbar, hörbar und spürbar. Von dieser Art Gottesbegegnung haben sie zunächst nur von anderen gehört – und nun spircht Vers 9 davon, dass aus dem Hören-von-anderen das Selber-Sehen geworden ist. Wie wir gehört haben, so haben wir gesehen…
Das wünsche ich mir und allen, die auf der Suche sind nach einer authentischen, prägenden, nachhaltigen Begegnung mit Gott: Dass wir vom „Hören“ der Erfahrungen Anderer ein „Sehen“, ein eigenes Erleben wird.

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  1. Dieser Übergang vom Hören zum Sehen geht nicht selten mit Schmerzen einher, wie bei Hiob, der nach seiner Leidenszeit sagen konnte: „Ich hatte von dir nur vom Hörensagen vernommen, aber NUN hat mein Auge dich gesehen!“

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