Der wahre Grund unserer E-Mail-Probleme

Manche können sich noch an eine Zeit ohne E-Mail erinnern. Ich nicht. E-Mail ist schon lange unverzichtbarer Teil meines Arbeitslebens geworden. Kommunizieren, Organisieren, Informieren – ohne E-Mail wären wohl die meisten meiner Arbeitsschritte umständlicher, langwieriger, unübersichtlicher.
E-Mail hilft so gut, mehr in weniger Zeit zu schaffen, dass ich mehr in weniger Zeit schaffe – und durch E-Mail mehr oder weniger geschafft bin. Mit E-Mail ist es wie in dem Song von U2: I can’t live with or without you…
Seit ich E-Mail professionell benutze, bin ich auf der Suche nach Hilfen, E-Mail zur Bewässerung meiner Arbeitsfelder einzusetzen statt zu ihrer Überflutung. Unzählige Tools und Techniken habe ich schon ausprobiert; manche sind wirklich gut (die verwende ich heute noch, und ja – meine Inbox ist in der Regel am Ende eines Arbeitstages tatsächlich völlig leer), andere sind nur Geschäftemacherei mit der digitalen Not.
Unsere Probleme mit der E-Mail-Flut liegen aber tiefer, als dass sie durch das „eine richtige Mailprogramm“ behoben werden könnten. Nick Metha, CEO der Archivierungsfirma Live Office, benennt in einem Beitrag für das Online-Magazin Mashable vier Gründe, die letztlich in Wahrheit für meine E-Mail-Probleme verantwortlich sind. Und die reichen tief in die menschliche Psyche hinein:

  1. Einsamkeit – in Wahrheit zwingt mich niemand, im Wartezimmer beim Arzt meine E-Mails zu checken. Außer vielleicht dem völlig irrationalen Gefühl, einsam und abgeschnitten vom Pulsschlag der großen weiten Welt da draußen zu sein.
  2. Eitelkeit – in Wahrheit gefällt es mir, E-Mails anderer Leute in Kopie zu empfangen. Und selbst andere „in CC zu setzen“. Ist das nicht eine elegante Methode, um mir selbst und anderen zu zeigen, wie wichtig ich bin?
  3. Paranoia – in Wahrheit mache ich mir Sorgen, wenn ich bestimmte E-Mails nicht mehr in CC bekomme. Da läuft doch bestimmt etwas an mir vorbei, wenn sich meine Freunde/Mitarbeiter/Kollegen/… E-Mails schicken und ich nicht auf dem Verteiler stehe!
  4. Scheinbare Produktivität – in Wahrheit gibt mir das Schreiben und Beantworten von E-Mail kurzzeitig das gute Gefühl, „etwas erledigt zu haben“. Was ich wirklich erledigt habe, ist aber genau das – ich habe eine E-Mail geschrieben bzw. beantwortet.

Einsamkeit, Eitelkeit, Paranoia, scheinbare Produktivität – vier mögliche wirkliche Gründe, warum ich in Wahrheit E-Mail-Probleme habe. Vier Ursachen, die kein Mailprogramm, kein Spamfilter und keine Getting Things Done-Technik in den Griff bekommen kann. Das kann ich nur selbst, und am besten mit ein bißchen Hilfe von außen.
Bevor jetzt jemand auf die Idee kommt, mir eine E-Mail zu schreiben um tatsächlich einen der vier Gründe (oder alle vier) bei mir zu diagnostizieren – es könnte sein, dass ich die E-Mail nicht beantworte. Die E-Mail vielleicht sogar kommentarlos lösche.
Ich bin schließlich gerade in Therapie.

0 Antwort
  1. Gut beobachtet. Ich fürchte, dass viel zu viel von dem was wir im Netz veröffentlichen und uns gegenseitig in die Postkörbe schreiben mit falscher Motivation behaftet ist. Mein persönlicher Favorit ist wohl die Eitelkeit…
    Gruß
    alex

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