Obama, Change und 10 Gründe, warum wir Veränderung nicht wollen

Veränderung erzeugt Widerstand – diese Erkenntnis ist nicht neu. Obamas großes „Yes, we can“ ist in den letzten vier Jahren auf ein ebenso wuchtiges „No, we won’t“ getroffen. Er reiht sich damit ein in eine lange Reihe von Leitern, die seit Jahrtausenden die Erfahrung machen: Den meisten Menschen sind bekannte Defizite lieber als unbekannte Lösungen.
Veränderung erzeugt Widerstand – das ist eine Binsenweisheit. Und wie alle Binsenweisheiten verführen sie dazu, nicht genauer hinzusehen, pauschal zu urteilen und sich als Leiter in Seufzen über den Zustand der Welt im allgemeinen und die Beschwernis der eigenen Aufgabe im Besonderen zu ergehen.
Veränderung erzeugt Widerstand – schnell mündet diese Binsenweisheit in einen erbitterten Stellungskampf: „Die da oben und ihre abgehobenen Ideen“ gegen „Die da unten und ihr beschränkter Horizont“.
Ich glaube es wäre in solchen Situationen gut, die Binsenweisheit zu durchbrechen, die eigenen Emotionen so gut es geht zur Seite zu schieben und genau hinzuhören: Woher genau kommt der Widerstand? Es gibt nämlich eine Reihe Faktoren, die sich dabei unterscheiden lassen. Und denen Leiter auch nicht machtlos ausgeliefert sind.
Vielleicht hilft beim Nachdenken ein Blick in eine Zusammenstellung von Rosabeth Moss Kanter, die an der Harvard University u.a. über Change Management lehrt:

  1. Kontrollverlust – wie viel persönlicher Entscheidungsfreiraum bleibt Mitarbeitern angesichts grundlegender Weichenstellungen erhalten?
  2. Ungewissheit – die grundlegende Ungewissheit des Veränderungserfolgs kann man Mitarbeitern nicht nehmen – aber sind wenigstens Ziele, Verantwortlichkeiten und die Schritte auf dem Weg klar?
  3. Überraschungen – sicher kann man nicht alles mit allen diskutieren – aber ist es wirklich unumgänglich, Mitarbeiter ohne jede Vorwarnung vor vollendete Tatsachen zu stellen?
  4. Zu viel Neues auf einmal – selbst wenn jedes Detail eigentlich nur eine Kleinigkeit ist: Haben Leiter im Blick, wie viele Veränderungen Mitarbeiter in der Summe verarbeiten können?
  5. Gesichtsverlust – wie denken und reden Leiter über das, was in der Vergangenheit war und über die, die dafür Verantwortung getragen haben?
  6. Zweifel an der eigenen Kompetenz – wie begegnen Leiter den Sorgen von Mitarbeitern, neuen Anforderungen und Verantwortlichkeiten vielleicht nicht gerecht zu werden?
  7. Mehrarbeit – Veränderung bedeutet Aufwand. Mehr Meetings, mehr Ausprobieren, mehr Kurskorrekturen. Wie begleiten Leiter Mitarbeiter in dieser Hinsicht und sorgen wo möglich für Entlastung?
  8. Schockwellen – denken Leiter wirklich sorgfältig zu Ende, welche Auswirkungen eine Veränderung auf Mitarbeiter in anderen Arbeitsbereichen hat? Sind sie in irgendeiner Form eingebunden?
  9. Geister der Vergangenheit – jede Veränderung bringt Verletzungen, Enttäuschungen und Konflikte an die Oberfläche, die bisher unter der Oberfläche verborgen waren. Sind Leiter bereit, darauf konstruktiv einzugehen?
  10. Echter Schmerz – Veränderungen tun weh und schneiden ein, bedrohen und beenden das was war um Platz zu schaffen für Neues. Benennen Leiter das ehrlich, transparent, rechtzeitig und fair?

Wenn du an die aktuelle (oder die jüngst zurückliegende) Veränderung denkst, die du gestalten wolltest oder erlitten hast – welche Faktoren haben tatsächlich am Widerstand beteiligt? Und wie hätte man sie berücksichtigen können?
Veränderung erzeugt Widerstand – einer pauschalen Binsenweisheit fühlt man sich als Leiter schnell ausgeliefert. Sie führt zur Resignation oder zum Stellungskampf. Aber wenn Leiter es auf sich nehmen, sich ein differenziertes Bild der beteiligten Faktoren zu verschaffen – dann wird es auf einmal möglich, dass die meisten Beteiligten mit Veränderung und dem Widerstand dagegen konstruktiv umgehen können.
Ob das Obama in seiner zweiten Amtszeit gelingen wird, weiß ich nicht. Wo Ideologie im Spiel ist, ist Differenziertheit nicht gefragt. Aber vielleicht klappt’s ja erstmal bei den kleineren Veränderungen im eigenen Einflußbereich.

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