Schmutziger über den Glauben reden

Wenn du die Wahl hättest, eine kostbare Wahrheit vielen Zuhörern entweder fehlerhaft und mißverständlich zu sagen oder lieber komplett zu schweigen – wie würdest du dich entscheiden?
Klingt nach einem rein akademischen Szenario? Ist es nicht: Vor dieser Entscheidungssituation befinden sich alle, die sich dafür einsetzen, dass das Evangelium öffentliches Gesprächsthema wird. An Mel Gibsons umstrittenen Film „The Passion of the Christ“ lässt sich vortrefflich zeigen, worum es mir mit diesem Gedankenanstoß geht:
Ein Regisseur und Schauspieler aus Hollywood mit moralisch nicht gerade sonntagsschultauglichem Lebenswandel finanziert und inzeniert die Leidensgeschichte Jesu auf neue, provozierende, verstörende Art und Weise. Säkulare Medien sind irritiert, dass sich viele Menschen als unheilbar religiös erweisen und sich für ein solches Filmthema interessieren. Christliche Gemeinden und Verbände sind irritiert, dass jemand wie Gibson bei „ihrem Thema“ stellenweise danebengehauen hat. Dies ist nicht historisch korrekt, jenes nicht biblisch und das ganze Machwerk doch theologisch ohnehin fragwürdig, von der Motivation ganz zu schweigen.
Man hätte sich einfach mal freuen können, dass plötzlich unglaublich viele Leute (von denen viele in der Regel nie eine Kirche betreten würden) darüber reden, was da zwischen dem letzten Abendmahl und der Auferstehung passiert ist. Ob es wirklich passiert ist. Und warum es uns bis heute nicht loslässt. Stattdessen diskutierten viele Christen, ob man das denn so darstellen dürfe. Und ob da Jesus wirklich richtig dargestellt sei. Und ob man nicht besser Abstand von so einem Film halten solle.
Trotz aller Kritik hat nun Gibsons „Passion of the Christ“ Entscheidern in Hollywood vor Augen geführt, dass christliche Themen in Filmen ein durchaus großes Publikum anzusprechen vermögen. Immer öfter wagt man sich auch an aufwändige, teure Produktionen, die man noch vor zehn Jahren nicht mit der Kneifzange angefasst hätte. Zur Zeit dreht Hollywoodregisseur Darren Aronofsky einen Spielfilm über Noah mit Russell Crowe in der Hauptrolle, Starttermin voraussichtlich März 2014. Viele an der Produktion Beteiligte äußern sich fasziniert von der biblischen Gesischte, von Noahs Durchhaltevermögen und Überzeugung. Dagegen beginnen sich die ersten Christen schon weit vor Erscheinen des Films als engagierte Kritiker zu profilieren: Nicht 100% theologisch sauber, die eigentliche Botschaft des Gerichts über die Sünde geht verloren, usw. usw.
Ein Hollywood-Produzent sagte mir neulich dazu: „Wenn man das Evangelium zum öffentlichen Thema machen will, ist das Problem mittlerweile immer weniger die Skepsis säkularer Filmproduzenten – das größere Problem sind die christlichen Kritiker“. Sind Christen so sejr darauf aus, die Dinge 100% richtig zu machen, dass sie sie im Zweifel dann lieber gar nicht machen? Müssen Christen lernen, „schmutziger“ über ihren Glauben zu reden?
Wenn du die Wahl hättest, eine kostbare Wahrheit vielen Zuhörern entweder fehlerhaft und mißverständlich zu sagen oder lieber komplett zu schweigen – wie würdest du dich entscheiden?

0 Antwort
  1. Christian Rendel

    Genau auf den Punkt. Das gleiche Phänomen ließ sich ja auch sehr schön an der Rezeption von Youngs „The Shack“ beobachten. Vom Glauben völlig unbeleckte Leute entdecken Jesus und fühlen sich von ihm auf nie gekannte Weise angezogen, während die frommen Kritiker in ihrer (vermeintlichen) Rechtgläubigkeit die Augenbrauen hochziehen und warnend mit dem Finger drohen. Zum Glück hat das wahrscheinlich von der eigentlichen Zielgruppe des Buches kaum jemand mitgekriegt.
    Auch aus ästhetischer Sicht sind mir Mel Gibson und Konsorten allemal lieber als diese theologisch korrekten, evangelistisch weichgespülten Schönwetter-Baseballromanzen-Bekehrungsfilme, von denen jetzt auch offenbar immer mehr produziert werden.

  2. Sabine Müller

    Tja, vielleicht (sicher?) hat die christliche Verkündigung in weiten Teilen vor lauter Angst ihr provozierendes Moment verloren … das Kreuz war und ist eine schmutzige Angelegenheit – vielleicht sollten wir das einfach noch mal mutiger (und trotzdem natürlich liebevoll) kommunizieren. Ähnlich verstörend Art wie Gibson’s Passion und doch bewegend finde ich den derzeit überall beachteten Film „Machine-Gun Preacher“ … ohne Frage nicht alles lupenrein, was der Typ in Afrika so alles macht. Und dennoch packend. Weil echt, weil engagiert … und auch ein bisschen wütend! Schön, wenn durch evangelistische Adern auch mal wieder Blut statt Wasser fließt …

    1. pixelpastor

      @Sabine: Machine Gun Preacher habe ich zuerst als Film gesehen und erst hinterher erfahren, dass es eine wahre Geschichte ist.

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