Die Bühne meines Lebens

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wer oder was die Hauptrolle in Ihrem Leben spielt?
Ich meine jetzt nicht so grundsätzlich oder theoretisch, sondern im Alltag. Heute. Jetzt. In Ihren Gedanken. Wer oder was spielt die Hauptrolle?
Ehrlich gesagt ist das bei mir oft so: Da taucht irgendein ein Problem auf, aus dem Nichts – und plötzlich ist in meinen Gedanken kaum noch Platz für etwas Anderes. Wenn meine Gedanken eine Bühne sind – dieses Problem spielt die Hauptrolle. Es steht genau in der Mitte, ist nicht zu überhören, zieht alle meine Aufmerksamkeit auf sich.
Was für ein Problem genau? Das kann ganz verschieden sein. Manchmal vielleicht nur ein großes Missverständnis. Oder ein Streit in der Familie. Oder eine hartnäckige Erkrankung. Oder dass ich einen anderen Menschen unabsichtlich verletzt habe. Oder er mich.
Egal was es genau ist, es bleibt dabei: Auf der Bühne meiner Gedanken spielt dieses Problem jetzt die Hauptrolle. Und wie sehr ich mich auch bemühe, das Problem zu verscheuchen – es will die Bühne einfach nicht verlassen. Als würde es meine Aufmerksamkeit genießen.
Kein angenehmes Gefühl – aber ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin. Alle Menschen, die ich kenne, haben sich schon einmal damit herumgeschlagen, dass sich ihre kleinen und großen Probleme in Hauptrollen gedrängt haben, wo sie eigentlich nicht hingehören.
Das war schon in biblischen Zeiten nicht anders. Ein ganzer Teil des Alten Testamentes, die Psalmen, widmet sich intensiv der Auseinandersetzung mit dieser Frage. Viele Psalmdichter  haben ihre Klage in Worte gefasst, mit denen ich noch heute, Jahrtausende später, unglaublich viel anfangen kann.
Psalm 102 ist so ein Beispiel. Den hat der Psalmdichter überschrieben mit den Worten: „Ein Gebet für den Elenden, wenn er verzagt ist und seine Klage vor dem Herrn ausschüttet“.
Ich glaube, ähnliche Situationen kenne ich auch. Psalm 102 ist ein Gebet für Menschen, in deren Leben gerade ein größeres Problem die Hauptrolle übernommen hat. Und nicht von der Bühne der Gedanken verschwinden will.
Wie geht der Psalmdichter damit um? Wie schafft er es, das Problem von der Bühne seiner Gedanken zu verscheuchen, aus der Hauptrolle hinaus zu drängen?
In Psalm 102 geht das so: Zuerst breitet der Palmdichter sein Problem, sein Elend, in aller Breite und ganz ausführlich vor Gott aus. Er liegt Gott damit in den Ohren, wie schlimm es wirklich ist. Und es ist auch wirklich schlimm, denn er sagt Dinge wie „Lass mein Schreien zu dir kommen“ oder „Meine Tage sind vergangen wie ein Rauch“ oder „Mein Herz ist geschlagen“. Zwölf Verse lang weint er sich bei Gott aus – im wahrsten Sinne des Wortes, und endet mit dem Fazit: „Meine Tage sind dahin wie ein Schatten, und ich verdorre wie Gras“.
Dann aber kommt das große „aber“. Die Wende. Der Dreh- und Angelpunkt in Psalm 102: In Vers 13 richtet der Psalmdichter seinen Blick weg von seinem Problem und hin zu Gott: „Du aber, Herr, bleibst ewiglich und dein Name für und für“. Und er beginnt, Gottes Charaktereigenschaften, seine Macht und Größe wortreich zu beschreiben. Es ist, als würde der Psalmdichter seinen Blick hinwandern lassen zu einem neuen, besseren, größeren Hauptdarsteller auf der Bühne seiner Gedanken.
Er stellt sich etwas vor, das größer ist als er selbst, größer als sein Problem, das Größte was er kennt – den Himmel und die Erde. Und dann betet er:

Gott, Du hast vorzeiten die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk.

Während er so betet, wird dem Psalmist klar: Himmel und Erde sind größer als mein Problem. Und Gott ist noch viel größer. Er hat Himmel und Erde gemacht. Deshalb ist Gott größer als mein Problem. Deshalb gehört ihm, Gott, die Hauptrolle auf der Bühne meiner Gedanken. Ja, sogar die Hauptrolle meines ganzen Lebens.
Diese Erkenntnis, dieser Perspektivwechsel lässt Probleme nicht einfach verschwinden. Aber er gibt Zuversicht und Hoffnung, dass mein Leben, und der heutige Tag, und auch meine Probleme bei Gott in guten Händen sind.
 
(erschienen in der Sendereihe Wort zum Tag bei ERF Plus)

0 Antwort
  1. Dagmar Sczesny

    äh… erforderliches Feld ?… wollte eigentlich nur die Beiträge meines verschollen geglaubten PixelPastors abonnieren…schön, Sie hier wieder zu finden, ich habe schon vor Jahren die Gedanken mit Gewinn gelesen, so auch heute, und geb sie gerne weiter…vielen Dank für die ehrlichen und ehr-fürchtigen Gottesgedanken.Ich wünsche Ihnen , dass sie selbst dadurch aufgebaut und ermutigt werden, so wie Sie andere damit aufbauen und ermutigen. Gottes Segen !

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