Batteriewechsel im postfaktischen Zeitalter

Heute habe ich die Autobatterie bei unserem Familienauto gewechselt. Ja, das ist einen Blog-Post wert.
Warum?
Weil ich das noch nie vorher gemacht habe und jetzt ein kleines bisschen stolz bin. Nachdem bei sibirischen Temperaturen selbst mit Starthilfe nichts mehr ging, blieb mir nichts anderes mehr übrig: Motorhaube auf, Batterie abklemmen (in welcher Reihenfolge muss man die Klammern nochmal lösen? Google!), Batteriebefestigung suchen (Google!), Steckschlüsselsatz im Keller suchen (da war Google keine Hilfe), Batteriebefestigung lösen, Batterie rausheben, Ladegerät suchen, Ladegerät anschließen (wieder Google). Danach 12 Stunden warten, hoffen dass ich alles richtig gemacht habe und das Ding nicht explodiert, dann alles wieder in umgekehrter Reihenfolge zurückbauen (Google).
Während ich abwechselnd unter der Motorhaube gebastelt und auf meinem Handy bei Google nach fachkundigen Anleitungen gesucht habe, ist mir die mediale Diskussion der letzten Wochen durch den Kopf gegangen. Glaubt man den Leitartikeln, leben wir dann nicht im postfaktischen Zeitalter? In dem nur noch gefühlte Wahrheiten zählen? Zerfällt die Wirklichkeit nicht längst in zahllose parallele Meinungsuniversen?
Ich sage: Nein, tun wir nicht.
Die Wirklichkeit ist voll von Autobatterien und Sechskantmuttern und Ölschmiere und Ladegeräten und Kurzschlussgefahren – und nichts davon nimmt Rücksicht auf meine Meinung, meine Gefühle oder die meiner Facebook-Freunde. Wenn ich die Batterie verkehrt herum anschließe, kann ich mich so richtig fühlen, wie ich will – es wird nicht funktionieren. Die Wirklichkeit ist voll von wirklichen Fakten, wirklichen Problemen und wirklichen Lösungsmöglichkeiten. Und wer seine Wirklichkeit nur noch über mediale Echokammern und Filterblasen sortiert,  der muss sein Zelt verdammt weit oben in der Maslow-Pyramide aufgeschlagen haben. Da, wo die praktischen Bedürfnisse des Lebens alle längst gestillt sind und man es sich leisten kann, von einer Meta-Ebene auf die andere zu surfen. Weil es irgendwo Menschen gibt, die einem das Auto reparieren.
Aber weiter unten in der Maslow-Pyramide, da ist die Welt der Ölschmiere, der Automechaniker und der Leute, die anderen erklären, wie man eine Autobatterie wechselt. Die Welt der Leute, die wirkliche Probleme lösen. Die Welt der Leute, die Welt zum funktionieren bringen, jeden Tag.
Diese Leute, sie haben meinen Respekt. Für sie ist völlig selbstverständlich, was manche von uns Medienjunkies vielleicht neu sehen und akzeptieren lernen müssen:
Das Wechseln einer Autobatterie ist vielleicht doch wichtiger als das eines Facebook-Profilbilds.

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