Mit Einander Glauben

Wir leben in der „Ich-Zeit“.

Beispielloser wirtschaftlicher Wohlstand und Sehnsucht nach Selbstverwirklichung haben dazu geführt, dass viele die Welt als Umlaufbahn um das eigene Ego begreifen. Das „Andere“, das diese Umlaufbahn kreuzt – Erfahrungen, Standpunkte, Ideen oder Menschen –bewerten wir instinktiv nach seiner Bedeutung für das Zentrum. Für das „Ich“.

Wir leben in einer „Ich-Zeit“.

Darin liegt auch Würde des Menschen begründet. Würde, die Gott dem Menschen verliehen hat, als er „den Menschen schuf zu seinem Bilde“, wie es im ersten Kapitel der Bibel heißt. Der Mensch ist als Ebenbild Gottes nicht namenloser Teil der Masse, er ist ein „Ich“ – weil Gott ein „Ich“ ist.

Was aber unsere „Ich-Zeit“ zunehmend vergisst: Zur Ebenbildlichkeit des Menschen gehört auch das „Wir“. Denn der oben zitierte Bibelvers geht weiter: „Gott schuf sie als Mann und Frau.“ Gott setzt die „Ichs“ der Menschen in Beziehung zueinander. Keiner von uns ist für sich alleine Gottes Ebenbild. Zusammen sind wir es.

Das gilt auch für die Gemeinde Jesu, jene brandneue Gemeinschaft, die Jesus Christus vor 2.000 Jahren begründet hat und zu der heute viele Millionen Menschen aus allen Ländern, Sprachen, Berufen und Prägungen gehören.

Diese Gemeinschaft bindet Menschen mit verschiedenen „Ichs“ in einem großen „Wir“ zusammen. Kein Wunder, dass bei ihrer Beschreibung im Neuen Testament 21-Mal das Wort „einander“ auftaucht: Liebt einander, ertragt einander, vergebt einander!

Dieses „einander“ ist mühsam, anstrengend, aufreibend. Es bringt mein „Ich“ an seine Grenzen, und manchmal ist es ein Risiko mit Verletzungsgefahr.

Aber Gott riskiert das, weil er im Mit-Einander-Glauben der Gemeinde Jesu viel umfassender erfahrbar ist als im Rechthaben des Einzelnen. Der christliche Glaube ist eben kein geistlicher Ego-Trip.

Deshalb sind Christen trotz aller „Ich“-Unterschiede immer wieder zum Mit-Einander-Glauben aufgerufen. Egal, in welcher Zeit wir leben.

(erschienen im ERF Medienmagazin ANTENNE)

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  1. Ich glaube eigentlich nicht, dass es früher anders war, ich glaube, der Mensch war immer schon so, dass er sich selbst vor Allem in den Mittelpunkt gesetzt hat, weil wir die Welt eben nur durch unsere eigenen Augen sehen können. Wir können zwar versuchen, uns in den anderen hineinzuversetzen, das wird aber nie 100%ig klappen, immer nur annähernd. Wie sollten wir uns da nicht als Zentrum sehen? Ansonsten bin ich derselben Meinung, dass wir zum wir aufgerufen sind und das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile.

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