Justizskandal

In einer Stadt lebte einmal ein Richter, der dafür bekannt war, seine Verantwortung nicht besonders ernst zu nehmen. Die Menschen, über deren Angelegenheiten er eigentlich Recht sprechen sollte, waren ihm innerlich völlig gleichgültig. Ein Gewissen schien er offensichtlich nicht zu besitzen. Er wollte einfach nur seine Ruhe.

Eines Tages ging vor Gericht die Klage einer alleinerziehende Mutter ein, die von einem örtlichen Gebrauchtwagenhändler über’s Ohr gehauen worden war. Der Richter ließ den Fall zunächst liegen. Irgendwann würde die Klägerin sicher aufgeben, und er müsste sich nicht weiter kümmern. Aber der Richter irrte sich. Immer wieder rief die Frau in seinem Vorzimmer an, schickte Briefe und E-Mails, wurde persönlich vorstellig.

Irgendwann reichte es dem Richter… Auch wenn ihm das Schicksal der Frau völlig egal war – er sah keine andere Möglichkeit, wieder seine Ruhe zu bekommen, als der alleinerziehenden Mutter zu ihrem Recht zu verhelfen.

Eine skandalöse Geschichte, oder? Jesus hat sie so ähnlich vor 2.000 Jahren zum ersten Mal erzählt, und Lukas hat sie uns in seinem Evangelium im 18. Kapitel überliefert (Lukas 18, 7). Bei Jesus ist es eine Witwe, die den gewissenlosen Richter immer wieder beharrlich mit ihrem Anliegen konfrontiert. Schließlich überlegt sich der Richter:

Ich fürchte Gott zwar nicht, und was die Menschen denken, ist mir gleichgültig;  aber diese Witwe wird mir so lästig, dass ich ihr zu ihrem Recht verhelfen will. Sonst bringt sie mich mit ihrem ständigen Kommen noch zur Verzweiflung.

Jesus beendet seine Geschichte mit einem Vergleich, und fragt seine Zuhörer:

Habt ihr darauf geachtet, was dieser Richter sagt, dem es überhaupt nicht um Gerechtigkeit geht?  Sollte da Gott nicht erst recht dafür sorgen, dass seine Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen, zu ihrem Recht kommen? Und wird er sie etwa warten lassen?

Damit legt Jesus den Finger in die Wunde all derer, die Gott nichts zutrauen oder von ihm nichts mehr erwarten. Die denken, dass ihre Bitten und Gebete Gott egal sind und Gott nicht wirklich kümmern. Jesus versichert: Wenn selbst ein gewissenloser Richter, dem andere Menschen und die Gerechtigkeit an sich herzlich egal sind, dem beharrlichen Bitten der Witwe am Ende nachkommt – wie viel mehr wird Gott, der euch liebt, nicht abblitzen lassen eure Anliegen und Gebete ernst nehmen!

Ich möchte aus dieser Geschichte eine zweifache Ermutigung zum Beten mitnehmen.

Erstens: Es ist völlig normal, dass Gott nicht immer sofort sichtbar auf meine Gebete reagiert. Es ist völlig normal, das mich das als Mensch verunsichert. Deshalb sah sich Jesus ja überhaupt veranlasst, diese Geschichte zu erzählen.

Und zweitens: Auch wenn Gott nicht immer sofort sichtbar auf meine Gebete reagiert, so lässt er mich nicht abblitzen. Ich bin ihm nicht egal. Er lässt meine Anliegen nicht lange liegen. Er nimmt meine Gebete ernst. Auch dann, wenn ich das meistens nicht sofort erkennen kann.

Beides macht mir Mut, dranzubleiben. Weiter zu beten. Sind Sie dabei?

 

(erschienen in der Sendereihe Wort zum Tag bei ERF Plus)

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