Mit Gott auf Tuchfühlung

Kennen Sie das Bild aus der Sixtinischen Kapelle im Vatikan? Das, wo sich Gott und Mensch die Arme entgegenstrecken und sich beinahe mit den Fingerspitzen berühren? Auch wenn Sie noch nie in Rom waren, haben Sie das bestimmt schon gesehen, denn das Deckenfresko von Michelangelo ist eines der am häufigsten reproduzierten Kunstwerke der Welt.

Michelangelo hat mit seiner Darstellung eine widersprüchliche Empfindung getroffen, die viele Menschen teilen: Zwischen Gott und Mensch herrscht Distanz – und doch sind Gott und Mensch aufeinander bezogen, fast auf Tuchfühlung. Das haben Menschen schon Jahrtausende vor Michelangelo erlebt. Nicht in Rom, sondern in der Wüste rund um den Berg Sinai.

Dort lagert das Volk Israel, unterwegs heraus aus der Sklaverei in Ägypten und hin zum gelobten Land Kanaan. Im Alten Testament wird im 2. Buch Mose beschrieben, wie Gott mit ihrem Anführer Mose auf Tuchfühlung geht, um mit ihnen ein Bündnis zu schließen. Aber es läuft nicht besonders gut. Während Mose oben auf dem Berg dem wirklichen Gott begegnet, schaffen andere unten im Tal einen Ersatzgott nach ihren eigenen Vorstellungen. Während Mose Gottes Anspruch und Zuspruch für seine Menschen eingraviert auf zwei Steintafeln vom Berg herunterträgt, tanzen die Empfänger dieser Zuwendung unten um ihr Götzenbild das sprichwörtliche goldene Kalb.

In 2. Mose 32,19 lesen wir, wie die Situation dann eskaliert:

Als Mose nahe zum Lager kam und das Kalb und das Tanzen sah, entbrannte sein Zorn, und er warf die Tafeln aus der Hand und zerbrach sie unten am Berge und nahm das Kalb, das sie gemacht hatten, und verbrannte es im Feuer und zermalmte es zu Pulver und streute es aufs Wasser und gab’s den Israeliten zu trinken.

Die Menschen damals sind nicht bereit dafür, eine Verbindung mit dem wirklichen Gott einzugehen. Ihre Unheiligkeit verhindert die Verbindung mit dem Heiligen. In seinem Zorn über sein eigenes Volk zerbricht Mose nicht nur das Götzenbild, sondern auch die Tafeln mit dem Anspruch und dem Zuspruch Gottes. Und was jetzt?

Gott lässt sich erneut auf seine Menschen ein. Er erhört die Bitte von Mose um Vergebung. Und beauftragt ihn, sich bereit zu machen für eine neue Begegnung oben auf dem Berg. Und die findet auch statt – nachzulesen in 2. Mose 34,1:

Mose hieb zwei steinerne Tafeln zu, wie die ersten waren, und stand am Morgen früh auf und stieg auf den Berg Sinai, wie ihm der Herr geboten hatte, und nahm die zwei steinernen Tafeln in seine Hand.

Und dann, in Vers 10, sagt Gott zu Mose:

Vor deinem ganzen Volk will ich Wunder tun, wie sie nicht geschaffen sind in allen Landen und unter allen Völkern, und das ganze Volk, in dessen Mitte du bist, soll des HERRN Werk sehen.

Dort oben auf dem Berg erneuert Gott sein Versprechen, mit seinen Menschen einen Bund zu schließen. Zuerst mit dem Volk Israel. Und später mit der ganzen Menschheit.

Es ist zunächst das Volk Israel, das Gottes übernatürliche Gegenwart und Versorgung auf ihrem Weg durch die Wüste ins gelobte Land erlebt. Und Jahrhunderte später weitet Gott seine Verbindung aus auf alle Menschen – in Jesus Christus.

In Jesus Christus tritt Gott seinen Menschen als Mensch entgegen. In Jesus Christus zieht Gott seine Menschen ganz nah an sein Herz. In Jesus Christus berühren sich Gott und Mensch nicht mehr nur mit den Fingerspitzen. Menschen können in Verbindung mit dem wirklichen Gott leben. Eine neue Art von Leben.

Die Verbindung von Gott und Mensch ist heute für jeden persönlich erfahrbar, der das von Herzen möchte.

 

(erschienen in der Sendereihe Wort zum Tag bei ERF Plus)

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