Bis an ihr Lebensende

Was wäre, wenn es möglich wäre, zu jedem Zeitpunkt des Lebens glücklich zu sein? Sich unabhängig von den äußeren Umständen zu freuen? Würde ich das wollen? Würden… Sie … das wollen? Auf den ersten Blick erscheint diese Vorstellung absurd. Wie soll das gehen, ohne die Augen zu verschließen vor all dem Leid und all dem, was so offensichtlich kritikwürdig ist an unserer Welt? Müsste ich nicht eine naive, rosarote Brille aufsetzen und mein Denken ausschalten, um mich in allen Lebenslagen freuen zu können?

Und doch… Und doch will ich diese Idee nicht vorschnell vom Tisch wischen. Denn da ist dieser eine Bibelvers im Neuen Testament, der mich seit vielen Jahren nicht loslässt:

Freut euch, was auch immer geschieht; freut euch darüber, dass ihr mit dem Herrn verbunden seid! Und noch einmal sage ich: Freut euch!

So steht es in Philipper 4,4 – geschrieben von Paulus, dem krisenerprobten Apostel und hochgebildeten Theologen, an die junge christliche Gemeinde in Philippi. Und Paulus war eigentlich nicht der Typ, der anfällig gewesen wäre für eine rosarote Brille. Wie hat er das also gemeint, mit der Freude „was auch immer geschieht“?

Die Suche nach einer Antwort führt uns vielleicht nach Rom im ersten Jahrhundert nach Christus. Paulus, der vielgereiste Gemeindegründer war wegen seines Glaubens verhaftet worden und für seinen Prozess an den Hof des Kaisers überstellt worden. Während immer mehr Christen in den Städten des römischen Reiches mit Todesdrohungen eingeschüchtert oder wegen ihres Glaubens ermordet wurden, versuchte Paulus aus der Haft heraus Briefkontakt zu halten mit den Gemeinden, die er gegründet hatte, darunter vermutlich auch die in Philippi. Während er selbst auf sein mutmaßliches Todesurteil wartete, versuchte er den vielen jungen Christen Mut zu machen, trotz allem an ihrem Glauben festzuhalten.

Paulus wusste ziemlich genau, was sie wohl gerade durchmachten. Schließlich war er selbst oft wegen seines Glaubens bedroht worden. „Ihr habt jetzt denselben Kampf zu bestehen wie ich – den Kampf, den ihr miterlebt habt, als ich bei euch war, und in dem ich – wie ihr gehört habt – immer noch stehe.“, so Paulus in Philipper 1, 30.

Aber für Paulus scheint die entscheidende Schlacht nicht der Widerstand gegen die Staatsmacht zu sein, sondern das innere Festhalten der Christen an Gottes Versprechen einer neuen Welt und an einer Haltung, die ihren Herrn Jesus Christus ehrte. So schreibt Paulus in Kapitel 2, Verse 3 bis 5:

Rechthaberei und Überheblichkeit dürfen keinen Platz bei euch haben. Vielmehr sollt ihr demütig genug sein, von euren Geschwistern höher zu denken als von euch selbst. Jeder soll auch auf das Wohl der anderen bedacht sein, nicht nur auf das eigene Wohl. Das ist die Haltung, die euren Umgang miteinander bestimmen soll; es ist die Haltung, die Jesus Christus uns vorgelebt hat.

Und hier – bei der inneren Haltung – liegt für Paulus die Quelle der Freude, mitten in allen bedrohlichen äußeren Umständen. Ab Vers 16:

Haltet daher an der Botschaft fest, die zum Leben führt! Dann kann ich dem Tag, an dem Christus wiederkommt, voll Zuversicht entgegensehen, glücklich darüber, dass ich das Ziel meiner Arbeit nicht verfehlt habe und dass meine Mühe nicht umsonst gewesen ist. Und selbst wenn ich zum Tod verurteilt werde und sterben muss, werde ich mich freuen.

Mitten in seiner Haft, mitten in der heraufziehenden Christenverfolgung, findet Paulus einen Grund, sich zu freuen: Dass die innere Stärke und das Vertrauen der Christen Jesus vor aller Augen ehrt. „Das soll also eure Einstellung sein, liebe Freunde“ – so fordert er sie in Kapitel 4 heraus, und weiter: „Haltet daher treu zum Herrn! Ihr seid doch meine Geschwister, die ich liebe und nach denen ich mich sehne; ihr seid meine Freude und mein Siegeskranz“. Und dann kommt unser Freude-Vers, Philipper 4 Vers 4:

Freut euch, was auch immer geschieht; freut euch darüber, dass ihr mit dem Herrn verbunden seid! Und noch einmal sage ich: Freut euch!

Ich lese das, ich höre das, und es packt mich, zugegebenermaßen trotz einiger leichter Zweifel: Wenn es wirklich möglich ist, sich in jeglichen Lebensumständen an der Verbindung zu Gott so zu freuen wie Paulus das beschreibt – dann möchte ich das erlernen und erleben.

Ich glaube, das wäre einen Versuch mehr als wert. Finden Sie nicht?

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