Zwischen Bibel und Bürgerlichkeit

Ganz der Vater… wie deine Mutter… typisch Nesthäkchen… ob wir wollen oder nicht: Unsere Herkunftsfamilie prägt unser Leben. Bis ins hohe Alter profitieren wir von guten Vorbildern und gesunden Beziehungen. Und ebenso lange haben wir zu kämpfen mit den Narben, die abwesende Eltern, dysfunktionale Beziehungen oder gar Missbrauch hinterlassen.

Wir alle erleben in der Kindheit Familie (oder ihre Abwesenheit), und wir alle verbringen den Rest unseres Lebens damit, uns mit diesem Erleben auseinander zu setzen. Und so haben wohl alle Kulturen, Ideologien und Religionen ihre Vorstellungen von Familie. Nicht weil sie sich alle dem Glück von Kindern verschrieben hätten, sondern weil sie genau wissen: Unsere Kindheitsjahre prägen, wer wir als Erwachsene sind.

Auch für Christen Familie wichtig. Weil Fürsorge und Verantwortung ein zentrales christliches Lebensmotiv sind. Weil Familie Kernort für die Vermittlung und das Vorleben von Werten ist. Weil Familie unseren Blick auf die Welt und unser Gottesbild prägt.

Nicht immer gelingt die Unterscheidung zwischen Bibel und Bürgerlichkeit: Scheidung, Patch-workfamilien, allein gelassene Mütter, unerfüllter Partnerwunsch, ungewollte Kinderlosigkeit – auch Christen tun sich manchmal schwer damit, wenn die Lebensumstände so gar nicht dem verklärten Bild von der „heilen Familie“ entsprechen. Dabei hat doch Gott selbst viel Erfahrung mit eher schwierigen Familienbeziehungen!

In der Advents- und Weihnachtszeit erinnern Christen daran, wie Gott seinen Sohn Jesus Christus in diese Welt gesandt hat. Jesus wurde in eine Flüchtlingsfamilie hineingeboren, sein Vater war nicht sein leiblicher Vater und starb früh, Jesus entfremdete sich zeitweise von sei-nen Brüdern und Schwestern und blieb selbst lebenslang Single.

Aber Jesus kam auch nicht in diese Welt, um zu demonstrieren, wie eine heile Familie aus-sieht. Er kam, um alle Menschen einzuladen und hineinzuretten in eine neue, in eine heilige Familie. In Gottes Familie. Und wie auch immer Sie persönlich Familie erlebt haben, ich möchte Ihnen gerne sagen: Sie sind in dieser Familie Gottes herzlich willkommen! Mit all dem, worauf Sie dankbar zurückblicken. Und auch mit allen Ihren Wunden, Narben und unerfüllten Wünschen.

Ich glaube, erst aus der Freiheit und Gewissheit dieser Zugehörigkeit zur Familie Gottes heraus lässt sich ein christliches Familienleben gestalten, in aller Begrenztheit und Bruchstückhaftigkeit.

ERF Themenseite: Zwischen Liebe und Wahnsinn

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