Hüter der Wahrheit

Wenn ich die Nachrichten verfolge oder mich durch meine sozialen Netzwerke klicke, habe ich den Eindruck: Was den Umgang mit der Wahrheit betrifft, haben wir unsere Welt in ein Haifischbecken verwandelt.

Die europäische Aufklärung hat im 17. und 18. Jahrhundert den Grundsatz errungen, dass niemand von vornherein ein Monopol auf Wahrheit hat. Und dass aufrichtiges Streben nach Wahrheit alle nach vorne bringt.

Glauben wir das eigentlich noch? Da wird Wahrheit gebeugt, verbogen und beansprucht, ohne mit der Wimper zu zucken. Der Zweck heiligt die Mittel, Macht geht vor Wahrhaftigkeit, Hauptsache das eigene Anliegen setzt sich am Ende durch. Das ist doch nicht das, was wir brauchen. Und das ist auch nicht das, was Jesus im Sinn hatte, als er seinen Nachfolgern versprach, die Wahrheit würde sie frei machen.

Ich glaube, Jesus ging und geht es nicht um Wahrheit als ein Ding, dass ich besitzen könnte. Sondern um Wahrhaftigkeit als Haltung eines gelassenen Vertrauens, dass niemand Angst zu haben braucht vor dem, wie die Dinge wirklich sind. Und dieses Vertrauen braucht Fürsprecher. Also nicht Hüter einer Wahrheit, die diese Wahrheit angeblich besitzen. Sondern Beschützer einer Haltung der Wahrhaftigkeit.

Im Alten Testament verpflichtet sich David, der Dichter auf dem Königsthron Israels,  öffentlich selbst, ein solcher Beschützer von Wahrhaftigkeit zu sein. In Psalm 101, 5- 7 sagt David:

Wer seinen Nächsten heimlich verleumdet, den bringe ich zum Schweigen … die Lügner bestehen nicht vor mir.

Wenn ich das so lese und höre, dann frage ich mich: Wenn wir alle die Wahrhaftigkeit so beschützen würden – würde das nicht allen helfen, den Weg, die Wahrheit und das Leben zu finden?

1 Response
  1. Axel Graser

    Dass wir Tag für Tag mit Unwahrheiten – oder sagen wir besser „mit Lügen“ – bombardiert werden, kann kaum jemand in Frage stellen. Vor allem von Seiten der Politik. Geistlich verstanden ist jedoch weit ernster die Entwicklung, die die Kirchen machen.
    Jesus sagte: „Ich bin der Weg und die Wahrheit…“
    Können wir das aber glauben, wenn wir ihn in Frage stellen? Wenn wir das Evangelium zu einer Philosophie machen, also die historische Existenz Jesu, seine Auferstehung und damit seine Präsenz relativieren?

    Als Christ ist es mir ein äußerst wichtiges Anliegen, dass die Kirchen und Konfessionen im Glauben an genau diesen Christus zusammenfinden, sich aber ebenfalls gemeinsam(!) gegen all das und abgrenzen, für die Jesus alles mögliche ist, nur nicht der lebendige Sohn Gottes, der in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Heiligen Geist herrscht in alle Ewigkeit.

    Axel Graser

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