Jenseits von gut und böse

0

Manchmal haben Theologie und mein Alltagsempfinden mehr miteinander zu tun, als ich auf den ersten Blick vermuten würde.

Zum Beispiel bei der Frage, warum guten Menschen böse Dinge passieren. Warum Gott es „regnen lässt über Gute wie Böse“, wie Jesus das einmal formuliert hat. Wie es sein kann, dass am Ende das Gute siegen wird, obwohl hier und jetzt und heute so oft das Böse zu triumphieren scheint. Jede Woche erlebe auch ich gute und schwierige Situationen. Bei mir selbst, und auch bei anderen.

Theologinnen und Theologen nennen das „Tun-Ergehens-Zusammenhang“: Gutes Verhalten zieht Segen nach sich, schlechtes oder böses Verhalten Unglück. Und seit Jahrtausenden versuchen Menschen, sich einen Reim darauf zu machen, wie das alles zusammenhängt – gute und böse Menschen, gute und böse Umstände.

Gerne würde ich dich mitnehmen zu einem Textabschnitt im Alten Testament, der uns bei der Frage nach einem Leben zwischen gut und böse vielleicht weiterhelfen kann. Besuchen wir den sprichwörtlichen König der Weisheit – Salomo. Von ihm heißt es, Gott habe ihm „sehr große Weisheit und Verstand“ gegeben, und „einen Geist, so weit, wie Sand am Ufer des Meeres liegt.“, wie es im Buch 1. Könige in Kapitel  5 Vers 9 heißt. Ein Mann also mit einem ungewöhnlich weiten Denkhorizont. Ein Mann, der sich unter anderem auch mit der Frage nach einem Leben zwischen guten und bösen Umständen auseinandergesetzt hat.

Wir finden seine Erkenntnisse dazu an einer anderen Stelle im Alten Testaments, im Buch „Prediger“, Kapitel 8 ab Vers 12. Salomo schreibt dort nach der Übersetzung „Gute Nachricht Bibel“:

Ich kenne das Sprichwort: »Wer Gott ernst nimmt, dem geht es gut. Aber wer Unrecht begeht, hat kein Glück. Sein Leben ist kurz und flüchtig wie ein Schatten, weil er Gott nicht ernst nimmt.«

Halten wir kurz an: Damals war die Vorstellung offensichtlich weit verbreitet, dass guten Menschen Gutes widerfährt und bösen Menschen Böses. Ein klarer Tun-Ergehens-Zusammenhang! Aber Salomo sieht das anders – Vers 14:

Doch das ist Unsinn! In der Welt sieht es oft genug ganz anders aus: Da sind Menschen, die immer das Rechte tun, und es ergeht ihnen, wie es Verbrechern gehen sollte. Und es gibt Verbrecher, denen es so gut geht, als hätten sie immer das Rechte getan.

Ich höre förmlich Salomos Entrüstung aus diesen Zeilen. Salomo sagt: Das kann so einfach nicht stimmen! Und du und ich, wir kennen doch auch solche Gegenbeweise. Menschen im Unglück, von denen wir meinen, sie hätten es im Leben doch wirklich besser verdient. Und andere, von denen wir meinen, sie wären unverdient glücklich davongekommen. Ganz offensichtlich gibt es keinen einfachen Tun-Ergehens-Zusammenhang im Leben zwischen gut und böse.

Interessant finde ich, welchen Schluss Salomo nun daraus zieht: Er gibt auf. Der König der Weisheit, mit seinem Geist so weit wie Sand am Ufer des Meeres liegt, gibt auf. Salomo wörtlich: „Alles vergeblich!“

Und dann schreibt er weiter (Vers 15): „Darum soll sich der Mensch an die Freude halten. Er soll essen und trinken und sich freuen; das ist das Beste, was er bekommen kann unter der Sonne, während des kurzen Lebens, das Gott ihm schenkt.“

„Carpe Diem“, hätte Salomo auch mit dem nach ihm geborenen römischen Dichter Horaz sagen können, „nutze den Tag, genieße das Gute im Leben – denn du kannst es weder erzwingen noch festhalten. Aber freuen kannst du dich an dem, was Gott dir Gutes schenkt – und das solltest du auch!“

Ich finde: Kein schlechter Ratschlag, aber: Damit ist die Bibel mit der Frage nach „gut“ und böse“ noch nicht fertig. Es gibt zwar tatsächlich keinen einfachen Tun-Ergehens-Zusammenhang, aber unser Leben ist am Ende auch kein göttliches Würfelspiel. Jahrhunderte nach Salomo kam einer, der es besser wusste als Salomo – Jesus. Einer, der meinen Blick weg lenkt vom vermuteten Räderwerk des Schicksals und hin zum Charakter Gottes.

Jesus macht seinen Freunden wieder und wieder klar, dass Gott weder ein Verhaltensbelohner ist noch ein Würfelspieler, sondern mein liebender Vater im Himmel. Und deiner auch, wenn du das willst.

Ja, auch Jesus gibt mir keine endgültige Erklärung, warum und wann und wie genau mir im Leben Böses widerfährt. Aber Jesus schenkt Hoffnung auf ein Leben jenseits von „gut“ und „böse“, in dem die Gnade und die Güte Gottes am Ende die Oberhand behalten werden.

Und darauf vertraue ich.

Schreibe einen Kommentar