In diesen Tagen kommt kaum eine Nachrichtensendung ohne schreckliche Bilder aus Aleppo aus. Die zweitgrößte syrische Stadt ist zum Symbol geworden für die menschenverachtende Zerstörungsmacht des Bürgerkrieges. Aleppo ist fast 4.000 Jahren alt, die Altstadt gehört zum Unesco Weltkulturerbe, und bis vor wenigen Jahren war die Stadt blühendes Handelszentrum mit rund 2 Millionen Einwohnern. Von all dem ist heute kaum noch etwas übrig.
Ich kann mir kaum vorstellen, wie es sein muss, all das verloren zu haben. Viele hunderttausend Einwohner sind geflohen, andere leben unter den Trümmern Aleppos mitten im Bombenhagel. Woher soll für sie Hoffnung kommen, dass das Leben jemals wieder gut werden wird?
An Aleppo musste ich denken, als ich im Alten Testament darüber gelesen habe, wie das Volk Israel an der Zerstörung Jerusalems und der Vertreibung nach Babylon litt. Auch für sie war das Gute vergangen, ihre Hauptstadt zerstört, ihr Tempel entweiht, der sichtbare Segen ihres Gottes dahin. Viele waren gestorben, einige hausten in den Trümmern Jerusalems, andere lebten fern der Heimat als Vertriebene. Woher sollte für sie Hoffnung kommen, dass das Leben jemals wieder gut werden würde?
In Kapitel 63 des Jesajabuches wird ab Vers 7 beschrieben, wie der Prophet für sein Volk mit dieser Frage ringt:
Ich denke an die Taten des Herrn, die seinen Ruhm verkünden, an die Beweise seiner Güte, die er Israel gegeben hat, damals in alten Zeiten! Unermesslich reich ist der Herr an Liebe und Erbarmen!
Mit fallen an diesem Vers zwei Dinge auf.
Erstens: Bevor in den folgenden Versen der verlorene Glanz und das verlorene Heil beklagt wird, erinnert der Prophet daran, wem das Volk Israel diese glanzvollen Zeiten verdankt: Gott. Für den Propheten waren die „alten Zeiten“, wie er das nennt, „Beweise der Güte Gottes“. Und weil die guten Zeiten der Vergangenheit mit Gott verflochten waren, ist der Prophet überzeugt, dass auch die Zukunft mit Gott verflochten sein wird. Gott ist immer noch da, so wie er früher da war.
Zweitens: Der Prophet erinnert in Jesaja 63 nicht nur an Gottes Taten, sondern auch an Gottes Charakter: „Unermesslich reich ist der Herr an Liebe und Erbarmen!“ Und dieser Charakter ändert sich nicht. Früher schlug sich Gottes Liebe und Erbarmen für das Volk Israel in Frieden, Wohlstand und sichtbarem Segen nieder. Aber auch in Zerstörung und Vertreibung gilt ist Gott unverändert reich an Liebe und Erbarmen.
Wissen Sie, Sie und ich, wir leben nicht in einem zerstörten Jerusalem. Oder einem zerstörten Aleppo. Aber vielleicht machen Sie gerade in anderer Hinsicht eine schwierige Zeit durch und fragen sich genau diese Frage: Woher soll nun die Hoffnung kommen, dass das Leben jemals wieder gut werden wird?
Dann möchte ich Ihnen und auch mir selbst heute die Gewissheit aus Jesaja 63 zusprechen: Gott ist immer noch da, so wie er früher da war. Und Gott ist unverändert reich an Liebe und Erbarmen.