„Warte, wenn ich dich erwische…“ – wer kennt hausmeisterliche Drohungen wie diese nicht aus seiner Schulzeit? Beruht nicht jeder bekannte Schülerstreich auf einem geheimen Wissen, wie man seine Lehrkraft mit minimalem Aufwand zu einer maximalen Reaktion provozieren kann (eine Reaktion, die sich vorzugsweise nicht gegen den tatsächlichen Verursacher sondern gegen Unbekannt richtet)?
„Solange du die Füße unter meinen Tisch…“ – auch außerhalb der Schule lernen wir im Teenageralter die Mechanik von Regeln und Autorität: Halte dich an die Regeln, und du hast deine Ruhe. Brich die Regeln, und irgendein tatsächlicher oder selbst ernannter Erziehungsberechtigter flippt aus.
Egal ob Hausmeister, Lehrer oder Eltern – sie reagieren nicht nur auf kindliche und jugendliche Untaten (das ist auch ihre Verantwortung), sie überreagieren oft auch. Die meisten Kinder und Teenager wissen ganz genau, wie sie ihre Autoritäten „zur Weißglut“ treiben können. Zum Ausflippen eben.
Wann flippt Gott eigentlich aus? Worauf reagiert Gott spontan, leidenschaftlich und emotional (wenn wir der Bibel mal glauben, dass Gott solche persönliche Eigenschaften hat)?
In der Bibel finden wir eine ganze Reihe von Dingen, die Gott dazu bringen, massiv leidenschaftlich zu werden: Unterdrückende Ungerechtigkeit. Ausbeutung von Armen. Gezielte Verwirrung von geistlich Schutzbefohlenen. Egoistische Hartherzigkeit. Heuchelei.
All diese Dinge torpedieren Gottes Traum für seine Welt, sabotieren Gottes Absichten für seine Geschöpfe. All diese Dinge kommen aus dem menschlichen Herzen. All diese Dinge hat Christus mit ans Kreuz genommen – damit sie überwunden werden können in allen, die ihr Leben Christus anvertraut haben. Was Christus am Kreuz getan hat, verändert alles. Sogar Gottes Wahrnehmung: Er sieht zuerst Christus, nicht meine Schuld. Er sieht zuerst Christus, nicht mein Gut-sein-Wollen. Er sieht zuerst Christus, nicht mein Christsein. Und was Gott da sieht, gefällt ihm gut – leidenschaftlich gut!
So wie sich ein menschlicher Vater an seinem Sohn freuen kann, findet Gott „Wohlgefallen an seinem geliebten Sohn“ (Matthäus 3,17) – eine vergleichsweise zurückhaltende und vornehme Ausdrucksweise für die Tatsache, dass Gott vor Freude ausflippt!
In seinem Buch „Rescuing Ambition“ beschreibt Dave Harvey sehr treffend:
„Gott ist nie emotional unbeteiligt im Angesicht perfekter Gerechtigkeit und Heiligkeit […] Gottes Annahme ist spontan, enthusiastisch und dauerhaft. Seine Freude […] strömt auf uns zu und trägt alle geistlichen Segnungen mit sich, die Christus an unserer Stelle verdient hat.“
Wenn Gott einen Christen anschaut, flippt er aus vor Freude – weil er Christus in ihm sieht.
Einen Gott, der sich riesig freut, dass sein Sohn die Mutprobe „Kreuz“ auf sich nimmt, möchte ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Dann müssten wir ja alle als Märtyrer sterben, damit Gott mit uns richtig zufrieden ist. Das Kreuz kommt allerdings nicht von oben, sondern von den Römern. Ich habe damit inzwischen echt Schwierigkeiten.
Ja, das merke ich. Deine Schlussfolgerung mit den Märtyrern ist aber irreführend: Jesus hat das für dich auf sich genommen – nicht damit du es nachmachst.
Karfreitag ist zumindest in meiner Kirche kein Feiertag. Und die Vorstellung, dass Gott sich in dieser Situation über seinen Sohn freut wie du bsw. über einen Auftritt deines Kindes vor Publikum, finde ich irritierend. „Mein Gott warum hast du mich verlassen?“ sagt Jesus.
Der Märtyrergedanke setzt sich im Christentum fort bis heute. Auch Paulus und Petrus wurden von den Römern hingerichtet. Es müssen heute auch noch Christen gewaltsam sterben.
Gott wird oft zu anthropomorph gedacht. Ich sage das, weil Kollege Bär gerade das Thema Gottesbilder hatte.
Gottes Selbstoffenbarung, die Bibel spricht ebenfalls anthropomorph von Gott. Wie könnten wie ihn sonst verstehen? Das ist ja das besondere am Christentum: Es ist die einzige Religion/Weltanschauung, die weiß und sich damit zufrieden gibt, dass ihre Erkenntnis Stückwerk ist, in der Gewissheit, dass diese unvollkommene Erkenntnis dennoch wahr ist, weil sie, solange sie sich an Gottes Offenbarung orientiert, analog zu Gottes vollkommener Erkenntnis geschieht.
“Mein Gott warum hast du mich verlassen?” sagt Jesus – Ich weiß, das klingt jetzt besserwisserisch, aber das ist auch der Anfang eines alttestamentlichen Psams, der sich langsam an die Gegenwart Gottes herantastet und am Schluß doch in vollem Vertrauen endet
Richtigstellung: Karfreitag ist natürlich ein kirchlicher und gesetzlicher Feiertag, aber kein Tag zum Feiern, das meinte ich damit.