Wenn man Gutes will und Schlechtes bekommt

Wo Menschen sind, sind Missverständnisse. Selbst wenn es alle Menschen in meiner Welt wirklich gut meinen mit mir (und ich habe keinen Grund, daran wirklich zu zweifeln), werde ich immer wieder Konflikte, Misstrauen, Streit, Provokation und andere Nettigkeiten erleben. Daran führt kein Weg vorbei.
Und auch wenn mir diese Tatsache mit dem gesunden Menschenverstand völlig einsichtig scheint, lebe ich doch wie die meisten Leute in der Illusion, es wäre in Wahrheit anders. Widerfahren mir gute Dinge, gehe ich stillschweigend davon aus, dass „das Leben“ genau so und nicht anders zu sein hat. Dass es nur angemessen und richtig ist, wenn andere Menschen mir  respektvoll, freundlich und wertschätzend begegnen. Widerfahren mir schlechte, dann verengt sich meine Lebenswahrnehmung auf ein einziges Thema so wie das Fernsehprogramm bei einer Naturkatastrophe nur noch Sondersendungen bringt. Dieses Thema heißt: „Mach, dass das weg geht!“.
„Mach, dass das weg geht“ – das wird in solchen Zeiten auch zum Gebet Nr. 1 in Richtung Gott. In der Bibel gibt es genügend Vorbilder für solche Gebete, vorwiegend in den Psalmen. Und ist Gott nicht auch ein Gott, bei dem ich mein Herz ausschütten darf? Dem ich klagen kann, dass mich ein anderer ungerecht behandelt hat?
Ja, ohne Zweifel!
Und doch – Gott wünscht sich in Zeiten des Konflikts mehr von mir als nur das vertrauensvolle Klagen an seinem Vaterherz. Ein langjähriger Freund von Jesus, Petrus, beschreibt das in einem seiner Briefe an christliche Gemeinden im 1. Jahrhundert einmal so (1. Petrus 3, 8-17):

Endlich aber seid allesamt gleich gesinnt, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig. Vergeltet nicht Böses mit Bösem oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, dass ihr den Segen ererbt […] Wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert? […] Fürchtet euch nicht vor ihrem Drohen und erschreckt nicht; heiligt aber den Herrn Christus in euren Herzen […] Denn es ist besser, wenn es Gottes Wille ist, dass ihr um guter Taten willen leidet als um böser Taten willen.

„Wer ist’s, der euch schaden könnte, wenn ihr dem Guten nacheifert?“ – was soll diese rhetorische Frage, Petrus? In Zeiten des Konflikts habe ich darauf eine ganz klare Antwort! Eine Person, ein Name, ein Gesicht!
Und doch legt die Bibel hier ganz klar die Priorität auf mein „Herz“, meinen Personenkern, meinen Willen (die Hebräer haben das Herz nicht so sehr als Sitz der Gefühle verstanden wie wir in unserem Kontext heute). Ich finde, dieser Text ist eine Provokation – aber eine heilsame: Wo ich vor allem auf die Umstände schaue und der wichtigste Wunsch meines Lebens lautet „Mach, dass das weg geht“, da richtet das Wort Gottes meinen Blick auf mein eigenes Innenleben. Auf das, was ich will, worauf ich Einfluss habe – auf mein Herz. „Dass du manchmal leiden musst, steht ausser Frage“, so verstehe ich Petrus hier, „die Frage lautet nur: ist es in deinem eigenen Herzen dunkel oder hell? Bleibst du integer, auf Christus ausgerichtet, mitleidig, brüderlich, barmherzig, demütig?“
Und bevor jemand auf falsche Ideen kommt – Petrus hat diesen Brief sehr wahrscheinlich in Rom verfasst, mitten in der beginnenden massiven Christenverfolgung unter Nero. Keine einfachen Zeiten, jede Menge Konfliktpotential, viel schwerere Konsequenzen als „nur“ belastete Beziehungen. Wenn es unter diesen Umständen möglich ist, dem „Guten nachzueifern“ und „Christus in euren Herzen zu heiligen“ – wie viel mehr ist es mir möglich, dann wenn mein Lebensgefühl sich wieder einmal auf ein „Mach, dass das weg geht“ zu verengen droht?
Ich möchte lernen, bei Widrigkeiten nicht nur Gott ganz offen meine Belastungen zu klagen. Sondern ihn auch ganz offensiv darum zu bitten, mein Herz an ihm auszurichten und weiterhin das Gute zu wollen. Selbst wenn das an der Gesamtsituation nichts ändern sollte. Also – neues Gebet Nr. 1: „Gott, mach dass das weg geht. Und bis dahin, hilf mir so zu leben, wie du es an meiner Stelle tun würdest.“

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