Facebook, was soll nur aus uns werden?

Liebes Facebook,
es war mit uns keine Liebe auf den ersten Blick. Weißt du noch wie es war, damals? Ich stand mit dir auf Kriegsfuß. Und wenn noch so viele in dich verschossen waren, ich konnte mit dir nicht viel anfangen. Zu umständlich zu bedienen, zu unklar warum ich mich überhaupt auf eine Beziehung zu dir einlassen sollte.
Aber von Berufs werde ich dafür bezahlt, bei solchen wie dir ein Early Adoptor zu sein. Also habe ich es nochmal versucht: Ich habe mich dir persönlich vorgestellt. Und dir ein wenig von dem verraten, was ich mag. Es war der Beginn einer wunderbaren Freund-Schaft.
Über die nächsten Monate und Jahre habe ich durch dich viele neue Leute kennen gelernt. Und manche, die ich schon kannte, mit ganz anderen Augen sehen gelernt. Deine Anziehungskraft beruht keineswegs auf Hype, Hybris und Herdentrieb, wie manche sagen. Du dockst an so viele Grundbedürfnisse an, die wir alle teilen: Identität. Kommunikation. Gemeinschaft.
Aber jetzt sind wir irgendwie in der Krise gelandet, du und ich. Ich kann immer weniger mit dem anfangen, was du mir von anderen erzählst. Dauernd willst du mich überreden, dass ich mit meinen Freunden auf Veranstaltungen gehe. Oder dass ich neue Spiele spiele. Oder du erzählst mir dreimal am Tag, wie toll sich ein anderer findet. Und wie viele von seinen Freunden toll finden, dass er sich toll findet. Facebook, ich frage dich, wo die ganzen interessanten Themen geblieben sind. Die offenen Fragen. Die interessanten Kontakte. Du weißt inzwischen alles über meine Chronik, aber meine Schmetterlinge im Bauch sind weg. Haben wir uns nur aneinander gewöhnt? Hast du mir nicht mehr zu sagen?
Facebook, was soll nur aus uns werden?
Ich frage mich, ob es anderen mit dir auch so geht…

0 Antwort
    1. pixelpastor

      @Rolf: Zuckerberg muss zwei gegensätzliche Ziele verbinden: Kostenloser Service für 1.000.000 Nutzer, die fb groß und wertvoll gemacht haben – und die Monetarisierung des Services durch Werbung. Je mehr Werbung, desto schwieriger für die Nutzer, desto wertloser das Portal. Je weniger Werbung, desto schwieriger für Umsatz und Aktionäre, desto wertloser die Aktie.
      An diesem strategischen Spannungsfeld werden Änderungen an der Timeline nichts ändern…

      1. Hi Jörg,
        das ist aber nicht das Hauptproblem von Facebook. Ich würde sagen, die Werbung ist ziemlich smart integriert und stört die wenigsten – macht Facebook also auch nicht wertloser. Viel problematischer ist die schiere Flut von Infos für viele. Facebook ist nicht mehr verlässliche Infoquelle für meine Freundesnews, weil mit zunehmender Infoanzahl die Wahrscheinlichkeit steigt, etwas Wichtiges zu verpassen. Oder andersherum: Mit zunehmender Flut sinkt für mich als Sender die Chance, viele meiner Follower zu erreichen. Wenn ich will, dass möglichst viele meiner Interessenten meine Messages bekommen, bevorzuge in den Newsletter – ganz klar. Und das trifft Facebook empfindlich.

        1. pixelpastor

          @Rolf: Newsletter sind ja viel älter als fb – und können es daher wohl nicht „empfindlich treffen“. Viele Organisationen unterliegen einem Missverständnis, wenn sie in fb einen Newsletterersatz nach dem alten Sender-Empfänger-Schema sehen. Fb ist nur als Zweiwegmedium wirklich gut.
          Die Infoflut ist tatsächlich ein Problem. Was mit 30 Freunden noch geht, geht mit 300 nicht mehr. Hat zwar jeder selbst in der Hand, aber… skaliert fb einfach zu schlecht? Wird es Opfer seines eigenen Erfolges?

  1. K.Dünkel

    Hallo, mir ging es auch so mit Facebook. Ich habe es kurzzeitig bewohnt, ein paar Eckdaten eingegeben. Einen Kommentar hab ich nie geschrieben. Auch Freundschaften hab ich nicht geschlossen. Das war mir suspekt. Meine Kinder hab ich auch nicht gefragt, ob sie mit mir befreundet sein wollen, weil ich diese Frage an ihrer Stelle als Zumutung empfunden hätte. Wie soll ein Kind eine solche Frage beklicken? Sie sind mal mit mir befreundet und mal nicht. Meistens sind sie es. Muss man mehr wissen? Meine Mailkontakte hätte es gerne gehabt, das Facebook. Dafür war unsere Freundschaft aber noch viel zu jung fand ich; neugierig ist es eben auch ein wenig. Als die Datenschützer warnten, hab ich meinen kleinen Facebookplatz im letzten Jahr wieder deaktiviert.

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