Streitbar Glauben

Eine Familie ist etwas sehr Spannendes. Jede Familie ist wie eine eigene kleine Welt mit ihren ganz besonderen Eigenarten. Wer welches Zimmer aufräumt, zum Beispiel. Oder wie man gemeinsam entscheidet, wo der nächste Urlaub stattfindet. Oder – wie man streitet.
Tatsächlich hat jede Familie eine ganz eigene Streitkultur. In manchen Familien fliegen ganz schnell die Fetzen. Innerhalb weniger Minuten eskaliert eine Diskussion, die Emotionen gehen hoch, alle schreien, knallen mit den Türen. Und manchmal ist schon eine halbe Stunde später alles wieder friedlich, und man findet zueinander und zu gemeinsamen Lösungen.
In anderen Familien verlaufen Konflikte eher wie ein Schwelbrand – irgendwie ist „dicke Luft“, aber keiner weiß so recht, warum eigentlich. Die Emotionen bleiben unsichtbar unter der Oberfläche, und es herrscht Funkstille. Da redet man nicht mehr miteinander oder schaut sich nicht mehr offen ins Gesicht. Irgendwann sind die Emotionen dann innerlich geordnet, der Schwelbrand erloschen – und die Normalität kehrt zurück: Blicke, Gespräche, Lachen. Das ist dann für alle Beteiligten eine große Erleichterung, weil jeder weiß: Wir sind wieder gut miteinander. Die Familie ist immer noch da. Es gibt eine gemeinsame Zukunft.
So einen Moment des Aufatmens und der Versöhnung beschreibt der Prophet Hesekiel im Alten Testament. Durch ihn sagt Gott zu seinem Volk Israel: Ich will mich wieder zu euch kehren und euch mein Angesicht zuwenden.
Die Geschichte Gottes mit seinen Menschen ist über Jahrhunderte und Jahrtausende voller Konflikte. Manchmal in Form einer offenen emotionalen Auseinandersetzung, manchmal als Funkstille. Aber Gott ist immer an Versöhnung interessiert und an einer gemeinsamen Zukunft. Bis heute. Egal, was ich fälschlicherweise getan oder unterlassen habe: Mein Gott ist ein Gott, der mir immer wieder sein Angesicht zuwendet.
(erschienen in der Sendereihe Anstoß bei ERF Plus)

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