Chef, hör auf deine Mama!

Mütter haben fast immer Recht. Denken wir als Kinder. Dann werden wir groß, emanzipieren uns (hoffentlich) von unseren Müttern. Nur um im besten Alter festzustellen, dass sie tatsächlich in vielem Recht hatten. Und manchmal immer noch haben. Die Verbindung von altersbedingter Lebensweisheit mit weiblicher Intuition toppt nicht selten jedes Management-Seminar. Deshalb: Chef, hör auf deine Mama!
Dieser Gedanke ist nicht neu – im Gegenteil: Vor mehr als 2500 Jahren gab eine Mutter ihrem Sohn einen weisen Rat, als der König wurde. Lemuel hieß dieser Mann, der Name der Mutter wurde nicht überliefert – dafür aber der Rat seiner Mutter, verstaut im letzten Kapitel des Buches der „Sprüche“ im Alten Testament, direkt vor dem „Lob der tüchtigen Hausfrau“. Über letzteres wird öfter mal gepredigt (vermutlich deshalb, um dem Vorwurf der Herabwürdigung von Frauen in der Bibel entgegen zu wirken), über Mamas Rat an Lemuel eher selten. Deshalb jetzt und hier mal in voller Länge wiedergegeben (Sprüche 31, 1-9):

Dies sind die Worte Lemuels, des Königs von Massa, die ihn seine Mutter lehrte.Was, mein Auserwählter, soll ich dir sagen, was, du Sohn meines Leibes, was, mein erbetener Sohn? Lass nicht den Frauen deine Kraft und geh nicht die Wege, auf denen sich die Könige verderben! Nicht den Königen, Lemuel, ziemt es, Wein zu trinken, nicht den Königen, noch den Fürsten starkes Getränk. Sie könnten beim Trinken des Rechts vergessen und verdrehen die Sache aller elenden Leute. Gebt starkes Getränk denen, die am Umkommen sind, und Wein den betrübten Seelen, dass sie trinken und ihres Elends vergessen und ihres Unglücks nicht mehr gedenken. Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind. Tu deinen Mund auf und richte in Gerechtigkeit und schaffe Recht dem Elenden und Armen.

Drei Dinge fallen mir an Mamas Rat an den neuen Chef (König) auf:

  1. Sie hat ein eigenartiges Verständnis über die Behandlung von depressiven Störungen („Gebt […] Wein den betrübten Seelen, dass sie trinken und ihres Elends vergessen“)
  2. Sie sagt ihrem Sohn, was Mütter zu allen Zeiten versucht haben ihren Söhnen zu sagen („Viele Frauen und viel Alkohol sind dein Untergang“)
  3. Sie schreibt ihrem Sohn ins Stammbuch, wozu er seinen großen Einfluss als König wirklich nutzen soll: „Tu deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind.Tu deinen Mund auf und richte in Gerechtigkeit und schaffe Recht dem Elenden und Armen.“

Unsere Welt wäre ein weit besserer Ort, wenn sich Könige, Chefs und alle, die jemals eine Machtposition innehatten, an diesen Rat von Lemuels Mutter gehalten hätten und halten würden. Wenn sie erkennen würden, dass sie Macht und Einfluss nicht erhalten haben, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Sondern dafür, um diese Macht einzusetzen für alle, die sprachlos, rechtlos, mittellos und machtlos sind.
Es wäre zu einfach, diese Verpflichtung auf „die da oben“ abzuschieben. Man muss kein König sein, um so zu leben. Der Rat von Lemuels Mutter trifft uns alle. Vielleicht ist es an der Zeit, sich ganz neu und ganz ehrlich zu fragen:
Wo hast du Einfluss? Und wofür setzt du ihn ein?

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