Welchen Ratgebern schenkt man am besten Vertrauen? Bin heute über einen Beitrag von Michael Hyatt gestolpert, in der er sich mit dieser Frage auseinander setzt und dabei den Grundsatz formuliert:
Never take advice from people who aren’t getting the results you want to experience.
Richte dich nicht nach Leuten, die nicht das erleben was du suchst.
Ziemlich nachvollziehbar, finde ich: Höre nicht auf die Tipps eines fettleibigen Ernährungsberaters. Oder die Geldanalagestrategien eines Finanzberaters in Privatinsolvenz. (Ich glaube, das ist auch der Grund warum Angestellte in Brillenläden immer auch selbst Brillen tragen.)
Je länger ich über diesen Satz nachdenke, desto treffender scheint er mir auch zu beschreiben, warum sich in unserer Gesellschaft viele Leute nicht näher auf den christlichen Glauben einlassen möchten. Warum man unter Umständen ein bisschen kulturell interessiert ist – aber auf keinen Fall existenziell.
Ein Grund steckt eben in dem Satz von Hyatt: Richte dich nicht nach Leuten, die nicht das erleben was du suchst. Nur wenige andere Menschen erkennen im Leben von Christen etwas wieder, das sie selbst suchen.
In der umgekehrten Blickrichtung ist dadurch Frust vorprogrammiert für Christen, die andere für ihre Glaubensüberzeugungen gewinnen wollen. Frust, der sich in quälenden Fragen äußert, die so oder so ähnlich klingen wie:
- Wie können wir das Evangelium relevant für unsere Zeit machen?
- Welche Antworten gibt der Glaube auf die Bedürfnisse der Menschen?
- Wie kann ich meinen Glauben verständlich erklären?
- Wie können wir Glaubenshürden aus dem Weg räumen?
Bisweilen driften diese Fragen unter Christen auch durchaus ins Selbstkritische bis Depressive ab:
- Leben wir unseren Glauben zu abgehoben von den tatsächlichen Problemen unserer Zeit?
- Sind wir als Christen zu angepasst, zu unterscheidbar, nicht profiliert genug?
Manche dieser Fragen sind durchaus lohnend, andere nicht. Marktwirtschaftlich gesprochen steht dahinter letztlich die Frage nach einem Produkt auf der Suche nach seinem Markt: Wie müssen Christen ihren Glauben leben/verpacken/kommunizieren/thematisieren, damit „der Markt da draußen“ darauf anspringt?
Es ist eine irreführende Frage.
Schon die Autoren des Neuen Testaments ringen mit dieser Perspektive – und räumen ein, dass Herumbasteln am „Produkt Glaube“ nicht zu reißendem Absatz führt. So rückt Jesus seinen Freunden dir Maßstäbe zurecht, wenn er sagt (Markus 7,14):
Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!
Und der Apostel Paulus stellt klar, dass das Evangelium, die Botschaft von Gottes rettender Gnade, kein Produkt ist, das auf die Bedürfnisse der religiösen Markte seiner Zeit zugeschnitten wäre (1. Korinther 1,22-24):
Die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit…
Der Glaube ist nicht Produkt, sondern er ist Geschenk. Es orientiert sich nicht am Markt menschlicher Bedürfnisse, sondern an der unsichtbaren Realität Gottes. Dieses Geschenk steht allen offen, die sich darauf einlassen. Manchmal sind das viele auf einmal, manche wenige. Weder in großen noch in kleinen Zahlen liegt dabei eine besondere Qualität.
Als Christ möchte ich dieses Geschenk möglichst authentisch und offen und unverkrampft entdecken und ausleben. Möchte dabei Abstand halten von Belanglosigkeiten und Wert legen auf das wahrhaft Wichtige. Und darauf vertrauen, dass das Geschenk die Wirkung entfaltet, die Gott hinein gelegt hat. Um möglichst viele dazu einladen, die das suchen, was sich mit dem Geschenk Glauben erleben lässt. Existentiell.
Bei aller bisweilen notwendigen Selbstkritik braucht es Christen, die gleichermaßen entspannt wie mutig darauf vertrauen, dass Gott in ihnen und durch sie lebt und Leben positiv verändert.
Dafür gibt es immer einen Markt.
Wie müssen Christen ihren Glauben leben/verpacken/kommunizieren/thematisieren, damit “der Markt da draußen” darauf anspringt?
Das ist aus meiner Sicht nicht eine irreführende Frage sondern schlicht die falsche Frage. Es geht nicht darum, wie ein christliches Glaubensangebot zusammengebastelt werden kann, damit es auf eine Mainstream-Suche nach Lebenssinn passt.
Die wenigsten von uns werden als fertige Christen geboren. In den allermeisten Fällen folgt auf eine „Zwangstaufe“ im Säuglingsalter eine mehr oder minder glaubensferne Kindheit. Mit dem Wachsen der eignen Persönlichkeit stellen sich nach und nach tiefgehende philosophische, ethische und eben auch Glaubensfragen. Und an der Stelle muss eine Glaubensverkündigung ansetzen bzw. ankommen. Wie kommunizieren Christen eine Glaubensbotschaft, dass diese durchdringt, ankommt, erstmal auf eine Möglichkeit oder Fähigkeit trifft, aufgenommen zu werden? Ich würde auch an dieser Stelle nicht von einem Produkt sprechen. Produkte sind substituierbar und Marktmechanismen unterworfen. Ich würde von einer faszinierenden Idee sprechen (Angenommen werden, wie man ist, auf bedingungslose Liebe treffen etc.). Die christliche Glaubensidee darf kein weichgespültes MeeToo auf dem Markt der möglichen Lebensentwürfe werden. Doch muss klar sein, dass Verkündigung sich an kommunikativen Benchmarks messen lassen muss.