Mit James Bond durch die Corona-Krise

„Jede Krise ist immer auch eine Chance…“ – das ist einer dieser Sätze, die man zur Zeit immer wieder hört. Ein Versuch, in der Corona-Pandemie eine Haltung zu finden, die durchstehen hilft, was nicht zu ändern ist. Ich glaube, dabei kann uns James Bond helfen.

Nein, nicht 007, der britische Geheimagent im Dienst seiner Majestät. Sondern Commander James Bond Stockdale, Offizier der amerikanischen Kriegsmarine. Er war einer der am höchsten dekorierten Offiziere der US Navy: Vier Silver Stars, verliehen für besondere Tapferkeit vor dem Feind. Und er war  im Vietnamkrieg der ranghöchste Marineoffizier, der in Kriegsgefangenschaft geriet. Zwischen seiner Festnahme nach einer Notlandung im September 1965 und seiner Freilassung im Februar 1973 wurde James Bond Stockdale mehrfach gefoltert; viele seiner Mitgefangenen überlebten diese Gefangenschaft nicht.

Was half James Bond Stockdale, diese Krise durchzustehen, von der er nicht wissen konnte, wie lange sie dauern würde und ob er sie überleben würde? Welche Haltung unter den Mitgefangenen erwies sich als notwendig, um die Belastung psychisch zu überstehen und wieder heil nach Hause zu kommen?

Leadership-Autor Jim Collins berichtet in seinem bekannten Buch „From Good to Great“ von Stockdales überraschende Antwort auf diese Frage: Es waren keineswegs die größten Optimisten unter den Gefangenen, die am Ende lebend aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrten. Im Gegenteil: Viele, die immer wieder überzeugt waren, beim nächsten Weihnachtsfest wieder zu Hause zu sein, seien an der fortwährenden Frustration ihrer Hoffnung irgendwann zerbrochen. Und auch die größten Pessimisten hätten die Gefangenschaft nicht überlebt, weil sie mit jeder Hoffnung am Ende auch sich selbst aufgegeben hätten.

Welche Haltung tatsächlich hilft, eine existentielle Krise mit unbekanntem Ausgang durchzustehen, ist seit dem als Stockdale Paradox bekannt geworden: Es ist die Kombination aus einem schonungslosen Realismus, der negativen Umständen ohne Schönfärberei ins Auge sieht und sie annimmt, und einem beharrlichen Optimismus, dass am Ende ein positiver Ausgang immer möglich ist.

Auch wenn die heutige Corona-Pandemie etwas anderes ist als Kriegsgefangenschaft in der Folterzelle, finde ich das Stockdale-Paradox hilfreich für eine aussichtsreiche innere Haltung, um die Krise gut durchzustehen: Ja, die Situation ist schwierig, es sterben Menschen, und es gibt jede Menge Kollateralschäden, deren Konsequenzen wir heute noch gar nicht alle absehen können. Und ja, es gibt eine absolut berechtigte Hoffnung, dass wir diese Pandemie und ihre gesellschaftlichen Konsequenzen letztlich überwinden und hinter uns lassen können.

Beides, Realismus und Optimismus, möchte ich jeden Tag neu hochhalten. Möchte zwischen allen Einschränkungen das Beste aus den bestehenden Möglichkeiten machen. Und dabei vielleicht sogar etwas Neues zu entdecken.

James Bond hat es auch geschafft.

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