Obamas Mondlandung

Mein Vater kann sie nicht vergessen – die Mondlandung. Wie er damals gebannt vor dem Fernseher saß, 1969. Wie Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond setzt. Wie die Vision von John F. Kennedy endlich Wirklichkeit wird, einen Menschen auf den Mond zu schicken und sicher zur Erde zurück zu bringen. Flimmernde, unscharfe, schwarz-weiße TV-Wirklichkeit.
Könnte Kennedys Traum heute noch geträumt werden? Hat die Mondlandung wirklich etwas gebracht? Sind wir heute da nicht wesentlich realistischer, pragmatischer … vielleicht aber auch zynischer?
Heute nacht war ich es, der gebannt vor dem Fernseher saß, 2008. Barack Obama erobert als erster schwarzer Kandidat das weiße Haus. Seine Vision, Amerika die Würde, das Miteinander und irgendwie auch den amerikanischen Traum zurückzugeben, wird nach zwei Jahren Endlos-Wahlkampf Realität. Große Rhetorik, emotionale Gesten, TV-Wirklichkeit auf allen Kanälen. Die höchste Wahlbeteiligung seit 100 Jahren.
Ich kann sie schon hören, obwohl sie erst beim Einatmen sind – die Realisten, die Pragmatiker, die Mechaniker des Machbaren. Ich kann sie schon hören, die allem misstrauen, das man träumen könnte. Zynismus hat diesen Drang, alles zu verschlingen und zu vereinnahmen, das nicht zynisch ist.
Ja, vieles ist vermutlich bewusst gewollt, inszeniert, überhöht im Auftreten des Barack Obama.
Ja, Obama ist kein Heilsbringer und kann es auch gar nicht sein.
Ja, Obama wird in den Niederungen des Regierens enttäuschen und enttäuschen müssen.
Ja, Obama vertritt einen Mix aus Zielen und Werten, mit denen ich nicht zu 100% übereinstimme.
Aber ich will es mir nicht nehmen lassen, zu staunen: Dass nach Jahrzehnten und Jahrhunderten der Erniedrigung und Benachteiligung ein Afro-Amerikaner zum Führer der freien Welt gewählt wird. Dass nach acht Jahren George W. Bush jemand Präsident wird, der intellektuelle Defizite nicht als charakterlichen Ritterschlag ansieht. Dass sich jemand traut, vor den Augen der Welt in der Sprache Martin Luther Kings zu träumen und dafür kritisch beäugt zu werden. Dass hunderttausend Menschen in der Wahlnacht in Chicago zusammen mit Tränen der Rührung neue Hoffnung in ihren Augen haben. Ihre Enttäuschung über Politik und Gesellschaft und „die da oben“ zu überwinden und Stunden anzustehen, um ihrer Stimme Gehör zu verschaffen.
Wir haben den Pathos des gemeinsamen Schlachtrufs „Yes we can“ bisher für bloße Träumerei gehalten, die keinen echten Politiker in der echten Welt zu einem echten Sieg in einer echten Wahl tragen würde. Heute nacht hat Barack Obama alle Realisten, Pragmatiker und Zyniker eines besseren belehrt.
Es mag ein kleiner Schritt sein für einen einzelnen Menschen. Aber manchmal hinterlassen kleine Schritte einen bleibenden Eindruck, den wir ein Leben lang nicht vergessen werden.

0 Antwort
  1. Matthias Ploner

    Stimme zu! Die Stimmenmehrheit und die Begeisterung ist gut und notwendig für seine – Obamas – wichtige Aufgabe. Das Aber der Realisten: Bei der weißn Wahlbevölkerung keine echte Mehrheit: das kann Schwierigkeiten geben.
    Einen gesegneten Tag.

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