Vom Versuch, die Welt im Griff zu haben

Menschen können nicht leben ohne Sicherheiten, auf die wir uns im Alltag stützen.
Heute, im 21. Jahrhundert, suchen viele Menschen diese Sicherheit meistens in Wissenschaft und Technik; wir suchen Sicherheit darin, dass wir unserer materielle Welt in den Griff bekommen – von der Kopfschmerztablette bis zur Wettervorhersage.
Für die Menschen in der Antike war das anders; sie suchten Antworten auf die Unsicherheiten ihres Alltags vor allem jenseits dessen, was man sehen und anfassen konnte. Und versuchten, diese unsichtbare Welt in den Griff zu bekommen.

So verehrten auch die Stämme im alten Kanaan Gottheiten mit Namen wie Baal oder Aschera oder Astarte. Um diese Götzen positiv zu stimmen, entwickelten sich in den heidnischen Kulten Kanaans grausame Riten bis hin zum Opfern von Kindern. Und was diese vermeintlichen Götter den Menschen mitteilen wollten, versuchte man durch Praktiken wie Wahrsagerei, Hellseherei und aus vermeintlichen Zeichen in der Natur zu deuten.
Nach dem Auszug aus Ägypten siedelt nun das Volk Israel zwischen den Völkern Kanaans. Die Glaubensvorstellungen der Israeliten prallen auf die heidnischen Götzenvorstellungen in Kanaan. Beide verbindet ein gemeinsames Lebensumfeld und ein gemeinsames Bedürfnis, Orientierung und Schutz in einem unsicheren Alltag zu finden. Aber die Art und Weise, mit der Unsicherheit des Lebens umzugehen, könnte verschiedener nicht sein:
Die Völker Kanaans kennen viele Götzen – Israel betet zu dem einen, dem einzigen Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde.
Die Völker Kanaans opfern Menschen, um die Götzen gnädig zu stimmen – Israel opfert Tiere, um symbolisch auszudrücken, dass Menschen Gott ihr Leben verdanken und auf ihn angewiesen sind.
Die Völker Kanaans nutzen okkulte Praktiken, um den Willen der Götzen für ihren Alltag herauszufinden – Israel erlebt Propheten, die im Auftrag Gottes sprechen und deren Worten Gott tatsächlich Taten folgen lässt.
Als Anführer des Volkes Israel und als Prophet Gottes redet Mose nun in dieses Zusammenprallen der Kulturen und religiösen Vorstellungen hinein. Und er warnt die Israeliten davor, die heidnischen und okkulten Praktiken der Völker Kanaans für die eigene Glaubenspraxis zu übernehmen. In 5. Mose 18 ist der Wortlaut dieser Warnung wie folgt überliefert:
Wenn du in das Land kommst, das dir der HERR, dein Gott, geben wird, so sollst du nicht lernen, die Gräuel dieser Völker zu tun, dass nicht jemand unter dir gefunden werde, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt oder Wahrsagerei, Hellseherei, geheime Künste oder Zauberei treibt oder Bannungen oder Geisterbeschwörungen oder Zeichendeuterei vornimmt oder die Toten befragt Du aber sollst untadelig sein vor dem HERRN, deinem Gott. Denn diese Völker, deren Land du einnehmen wirst, hören auf Zeichendeuter und Wahrsager; dir aber hat der HERR, dein Gott, so etwas verwehrt.
Mose schwört Israel hier darauf ein, Gott nicht als Götzen zu behandeln: Geht mit den Unsicherheiten eures Lebens nicht so um wie die Völker, die unseren Gott nicht kennen! Versucht nicht, durch okkulte Praktiken Einfluss auf die unsichtbare Welt zu nehmen! Versucht nicht, den Willen Gottes abergläubisch aus den Ereignissen eures Alltags herauszulesen!
An dieser Stelle klingt im Alten Testament bereits an, was Jesus Christus Jahrhunderte später im Neuen Testament noch viel deutlicher zum Ausdruck bringt: Gott ist ein Gegenüber für jeden Menschen. Er hat uns geschaffen und will das Gute – wir müssen ihn nicht erst gnädig stimmen. Gott kennt unsere Gedanken und Gebete und weiß, was uns wichtig ist. Und ganz ohne Zeichendeuterei und Wahrsagerei können wir ihm die Unsicherheiten unseres Alltags wie unseres Schicksals anvertrauen.
 
(erschienen in der Sendereihe Wort zum Tag bei ERF Plus)

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