Mein seltsames Herz

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Das menschliche Herz ist ein seltsames Ding. Da ist zum Beispiel Stefan, der seine Mitmenschen laufend gedanklich bewertet und sortiert: Fromm – nicht fromm. Rechtgläubig – ungläubig. Sich selbst sieht er dabei natürlich auf der „richtigen“ Seite. Anna geht es ganz anders: Oft betet sie im Stillen für Andere, die aber umgekehrt nie nach ihr fragen. Sie hilft hinter den Kulissen, während andere dafür die Lorbeeren bekommen. Aber innerlich sehnt sie sich danach, dass das endlich mal wahrgenommen wird.

Ja, das menschliche Herz ist wirklich ein seltsames Ding. Wir mögen es nicht, wenn unsere Absichten falsch bewertet werden. Und wir neigen dazu, Schiedsrichter über die Absichten anderer zu sein. So scheinen auch die Jünger von Jesus gedacht zu haben. Sie wollen Feuer vom Himmel herabrufen auf Leute, die Jesus nicht zuhören mögen. Sie fragen danach, wann und wie üppig sie für ihre Nachfolge belohnt werden. Wann endlich ist für alle Welt sichtbar, wer zu den Guten gehört? Wann endlich wird all das Gute gewürdigt, dass bislang nur im Verborgenen geschieht?

Jesus spricht in diese Frage hinein mit einem Gleichnis, das im Matthäusevangelium überliefert ist, (Matthäus 13, 24 ff.). In der Kurzversion: Ein Bauer sät Weizen auf seinen Acker aus, nachts kommt sein Feind und sät Unkraut dazwischen. Beides, Unkraut und Weizen, wächst miteinander und ineinander verflochten auf. „Sollen wir das Unkraut nicht rausreißen?“, fragen die Knechte den Bauern. „Nein“, sagt der, „wir warten bis zur Ernte. Wenn die Frucht reif ist, können die Erntearbeiter Weizen und Unkraut unterscheiden, den Weizen ernten und das Unkraut verbrennen.“

Bei kaum einem anderen Gleichnis von Jesus brennen die Jünger so sehr darauf, es erklärt zu bekommen. Und Jesus dröselt ihnen tatsächlich alles feinsäuberlich auf, Verse 38 bis 40:

„Der Acker ist die Welt. Der gute Same sind die Kinder des Himmelreichs, das Unkraut sind die Kinder des Bösen. Der Feind, der das Unkraut sät, ist der Teufel. Die Ernte ist das Ende der Welt, und die Erntearbeiter sind die Engel.“

Alles klar zugeordnet, sagt Jesus damit zu seinen Jüngern, aber – und ich glaube, das ist der Punkt – nicht von euch. Nicht ihr seid die, die zwischen Unkraut und Weizen zu unterscheiden haben. Ihr seid als Menschen selbst Kinder des Himmelreichs oder Kinder des Bösen, aber ihr seid nicht Schiedsrichter.

Das ist die Botschaft an Selbstgerechte wie Stephan.

Und dann kommt die Botschaft an Anna und alle, die im Verborgenen das Gute tun: Auch ihr werdet eines Tages offenbar, sagt Jesus. Noch nicht jetzt, die Frucht ist noch nicht reif. Aber am Tag der Ernte, am Ende der Welt, wenn alles auf den Tisch kommt, dann …

… dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters leuchten wie die Sonne.

Heute ist die Sonne das hellste Licht, das ihr kennt, sagt Jesus. Aber dann werdet ihr mindestens ebenso hell strahlen. Ihr braucht keine Schiedsrichter über andere zu sein. Ihr braucht keine Angst davor zu haben, übersehen zu werden. Keine vergossene Träne wird am Ende unvergessen sein, keine gute Tat ungesehen, kein Gehorsam geringgeschätzt.

Von dieser Aussicht will ich mein seltsames menschliches Herz prägen lassen.

1 Antwort
  1. Philipp Pfeiffer

    Wunderbar, gerade in einer solch schwierigen Zeit eine solch klare Borschaft lesen zu dürfen.
    Sehr herzlichen Dank! Ich freue mich schon auf weitere Aufhellungen die mir dazu helfen, meine Rolle als Christ von innen heraus noch besser verstehen zu können, darauf hoffend und vertrauend, dass der Heilkge Geist das Wesentlichste offenbaren wird.

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