Was Christen auseinander treibt – und was uns zusammenhalten lässt

„#zusammenhalten“ – das war Thema meiner Keynote beim „Forum Pietismus“, der Jahrestagung der ChristusBewegung Lebendige Gemeinde, die am 6. Februar  erstmalig im Hybrid-Format durchgeführt wurde; parallel im altehrwürdigen „Große Saal“ der Ev. Brüdergemeinde Korntal und per Videokonferenz über Zoom. Dieses Setting zwischen Tradition und Innovation fand ich passend zur Themensetzung, was Christen auseinander treibt – und was uns zusammenhalten lässt.

Hier sind die  Grundgedanken aus der Keynote (der ausführliche Text  wird zu einem späteren Zeitpunkt von der „Lebendigen Gemeinde“ veröffentlicht):

Das Problem mit den Hashtags

Das Miteinander in unserer Gesellschaft besteht – insbesondere im Diskurs in klassischen und sozialen Medien – oft nur noch aus Hashtags, hinter denen wir uns versammeln. Und das Miteinander in christlichen Gemeinden, Kirchen und Verbänden leider immer öfter auch: Wir versammeln uns mit denen, die die gleichen Bekenntnisse unterschrieben haben, die gleichen Lieder singen, die gleichen Positionen in  gesellschaftspolitischen Fragen vertreten. Verlieren wir nicht vor lauter „Doppelkreuzen“ (unseren christlichen Hashtags) das „Einfachkreuz“ von Jesus aus dem Blick?

Christen leben  zwischen Fliehkräften (die uns auseinander treiben) und Zentralkräften (die uns immer wieder zu unserem gemeinsamen Zentrum hin orientieren). Der Modernisierungsschub der letzten 100 Jahre hat dieses System unter Druck gesetzt – und die Fliehkräfte, die wir spüren, sind unsere Reaktion auf diesen Veränderungsdruck.

Fliehkräfte

Ein Abstiegskampf nach außen – ein Rückzugsgefecht weit über Sachkritik hinaus, ein Kampf um alles, was früher einmal selbstverständlicher christlicher Einfluss in der Gesellschaft war und gegen alles, was als gegnerisches Symbol gesehen wird, sei es „Islam“, „Gender“, „Homo-Ehe“, Political Correctness“ o.ä.

Eine Identitätspolitik nach innen, in der es vor allem um „wir“ und „die“ geht. Da gilt es, eine Fahne aufzupflanzen,  Truppen zu sammeln, die Reihen zu schließen, Kriterien aufzustellen wer wirklich „bibeltreu“ ist, wer „zu uns“ gehört oder „zu denen“, Abweichler zu bestrafen, die Reinheit der eigenen Überzeugtheit zu sichern und die Loyalität über Signalthemen abzufragen („für oder gegen Abtreibung?“, „für oder gegen Mainstream-Medien?“, „für oder gegen Homo-Ehe?“, „für oder gegen Gender?“).

Diese Reaktionsmuster auf den Modernisierungsschub der letzten 100 Jahre sind psychologisch verständlich – aber sind das nicht Versuche, sich an Doppelkreuzen (Hashtags) festzuklammern statt am „Einfachkreuz“ von Jesus? Fliehkräfte, die uns in Wahrheit auseinander treiben?

Zentralkräfte

Die pragmatische Notwendigkeit: Christen, die in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft wahrgenommen werden und etwas erreichen wollen, haben gar keine andere Wahl als zusammen zu halten und zusammen zu arbeiten. Wenn Gewerkschaften und Sparkassen unter dem Druck des Marktes fusionieren – können wir uns in Zukunft weiter unsere verschiedenen Hashtags leisten? 16 verschiedene evangelische Landeskirchen? Als Freikirchen je eine eigene theologische Ausbildungsstätte?

Zusammenhalten in Verschiedenheit ist auch eine geistliche Qualität, weil sie geistliche Gesundheit und Reife von Christen und christlichen Gemeinschaften fördert (Epheser 4,13). Erst „Einheit in Verschiedenheit“ macht die weltweite unsichtbare Kirche Jesu geistlich widerstandsfähig (Matthäus 16,18).

Zusammenhalt in Verschiedenheit verkörpert Jesus in dieser Welt. Nicht an unseren Hashtags wird die Welt erkennen, dass wir zu Jesus gehören – sondern an unserer „Liebe untereinander“ (Johannes 13,35). Wie viel unsere Welt von Jesus wahrnimmt, hängt nicht nur davon ab, was wir über Jesus sagen, sondern auch davon, dass wir unseren gemeinsamen Herrn mehr lieben als unsere Unterschiede.

Spannung hat Zukunft

Wer als Christ oder christliche Gemeinde  zusammenhalten will, muss vieles in Kauf nehmen und aushalten: Verschiedenheit, Andersartigkeit, Fremdheit, Spannungen, ungeklärte Fragen, theologische Differenzen, unterschiedliche gesellschaftspolitische Positionen.

Aber ich halte das für eine lohnende Anstrengung, Denn in der Zukunftsperspektive der Bibel nach Offenbarung 7, 9-11 werden eines Tages alle unsere „Doppelkreuze“ (Hashtags) ihre Bedeutung verlieren – und nur das „Einfachkreuz“ von Jesus wird noch zählen.

Nun liegt es an uns, welche Kräfte wir stärken – Fliehkräfte oder Zentralkräfte?

2 Antworten
  1. Hanna Jägers

    Beides ist nach meiner Meinung nach biblischem Verständnis wichtig
    – sich auf das gemeinsame Zentrum zu besinnen und mit den Menschen, die in Teilfragen eine andere Erkenntnis haben, in Einheit und Liebe zu unserem Herrn zu stehen und
    – meine eigene Position durch Austausch von Argumenten auch mit Gleichgesinnten zu hinterfragen und zu festigen.
    Die verbindenden Elemente sind bei beiden der gleiche Herr, der Heilige Geist und das biblische Wort (auch bei unterschiedlicher Interpretation).

  2. Andrea

    Man kann nur zusammenführen, was zusammen gehört. Treue zur Lehre Jesu und der Schöpfungsordnung Gottes ist der maßgebliche Punkt und nicht Zugehörigkeit zu einer Organisation.

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