Der Gott, der mich sieht

Immer wenn’s mir schlecht geht, wünsche ich mir zwei Dinge: Dass es besser wird, natürlich. Aber vorher wünsche ich mir noch etwas anderes: Dass jemand sieht, wie es mir geht. Dass jemand Anteil nimmt an dem, was mich belastet. Dass mir jemand nahe kommt und ein Stück eines schwierigen Weges mit mir geht.
Auf so einem schwierigen Weg war Hagar; eine Frau, die vor rund 4.000 Jahren lebte. Damals lief das so: Hagar ist eine Magd im Haushalt des Nomaden Abraham. Abrahams Frau Sara ist ihre Herrin – und sie spielt Hagar übel mit. Weil Sara keine Kinder bekommen kann, schlägt sie vor, dass Abraham stattdessen mit ihrer Magd Hagar schläft. So ein bisschen wie bei einer Leihmutter, nur unfreiwillig. Hagar wird tatsächlich schwanger, und Sara eifersüchtig auf ihre Magd. Und so schickt sie Hagar, in die Wüste. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Da kauert Hagar nun in der sengenden Sonne, an einer Quelle – ausgenutzt, hochschwanger und weggeschickt, ohne Arbeit, ohne Ansehen, ohne Perspektive.
Und dann begegnet ihr Gott in Gestalt eines Engels. Ich weiß nicht, ob Sie an die Existenz von Engeln glauben; Hagar ist jedenfalls einer begegnet. Durch den Engel erkundigt sich Gott bei Hagar: Wo kommst du her? Wo willst du hin? Und er eröffnet ihr einen Blick in die Zukunft, eine Perspektive der Hoffnung: Geh wieder zurück, Hagar. Ich habe dein Elend gesehen, und ich werde mich um dich kümmern.
Soweit wir wissen, ist Hagar Gott vorher noch nie persönlich begegnet. Aber jetzt begreift sie etwas sehr Wichtiges über Gott, und sie antwortet ihm: Du bist ein Gott, der mich sieht.
Hagar hat mitten in ihrer Lebenskrise etwas sehr Wichtiges über Gott verstanden: Auch wenn es noch nicht gleich besser wird – Gott sieht mich. Er kommt mir nahe, er geht ein Stück meines schwierigen Weges mit mir.
Gott ist ein Gott, der seine Menschen sieht. Auch heute, 4.000 Jahre später. Auch mich. Auch Sie.
(erschienen in der Sendereihe Anstoß bei ERF Plus)

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