Ich bin auf der Autobahn unterwegs, passe einen Moment nicht auf – und verpasse die Ausfahrt, die ich eigentlich nehmen wollte. Da rauscht es rechts am Fenster vorbei, das große, blaue Schild… Ausfahrt verpasst!
Was jetzt? Am liebsten rechts anhalten, Rückwärtsgang einlegen, zurücksetzen. Sind doch nur ein paar hundert Meter. Aber natürlich geht das nicht auf der Autobahn. Es wäre lebensgefährlich. Also weiter auf der eingeschlagenen Route bis zur nächsten Ausfahrt. Der Umweg kostet mich Zeit und Nerven. Vielleicht verpasse ich jetzt den Anfang einer wichtigen Veranstaltung.
Ausfahrt verpasst – das hat Konsequenzen. Sobald ich am großen, blauen Schild vorbei gerauscht bin, kann ich diesen Konsequenzen nicht mehr ausweichen. So ähnlich ging es dem Volk Israel -genauer gesagt dem Teil, der davon noch übrig war, Juda – am Vorabend der babylonischen Gefangenschaft. Werfen wir dazu einen Blick ins Buch des Propheten Jeremia:
Jeremia ist ein Mann, der sein Volk immer wieder an seinen Gott erinnert. Zuerst warnt er seine Mitbürger vor den Konsequenzen ihrer Gottlosigkeit, ruft sie dazu auf, Gott treu zu bleiben. Aber das Volk, seine politischen und religiösen Leiter, wollen nicht darauf hören. Irgendwann kommt der Punkt, an dem jede weitere Warnung sinnlos ist. Das Volk verpasst die letzte Ausfahrt der Buße und der Umkehr. Das Unheil nimmt seinen Lauf, in Gestalt des babylonischen Königs und Eroberers Nebukadnezar.
Jeremia erkennt in diesem Nebukadnezar die Absicht Gottes, sein Volk zu strafen und zu einer echten inneren Umkehr zu führen. Deshalb fordert Jeremia seinen König auf, Gottes Strafe anzunehmen und sich nicht mit seinen Nachbarvölkern gegen Nebukadnezar zu verbünden. In Kapitel 27 des Buches Jeremia gibt Jeremia die Ansage Gottes an den jüdischen König und seine Verbündeten wieder:
„Ich bin es, der durch seine gewaltige Kraft und Macht die Erde geschaffen hat mit allen Menschen und Tieren, die darauf leben. Ich kann sie geben, wem ich will. Jetzt gebe ich alle eure Länder in die Hand meines Bevollmächtigten, des Königs Nebukadnezar von Babylonien; selbst die wilden Tiere habe ich zu seinen Untertanen gemacht. Alle Völker sollen ihm dienen, ihm, seinem Sohn und seinem Enkel, bis auch für sein eigenes Land die Zeit kommt.“
Gott gibt sein Volk in die Gewalt Nebukadnezars und seiner beiden nachfolgenden Thronerben. Dieser Weg ist jetzt unausweichlich.
Würde er heute leben, würde Jeremia vielleicht das Bild der Autobahn benutzen, und sagen: „Wir haben die Ausfahrt verpasst. Wir können nicht rechts ranfahren, anhalten, den Rückwärtsgang einlegen, zurücksetzen. Wir müssen jetzt die Konsequenzen unserer Entscheidungen tragen.“
Ich lerne daraus: Ich kann Gottes Warnungen nicht in den Wind schlagen und denken, ich könnte die Konsequenzen ja später jederzeit wieder zurückdrehen. Es gibt einen Punkt, an dem kann ich mich nur noch der Gnade Gottes anvertrauen und den Umweg mitgehen, den ich selbst verursacht habe.
Die gute Nachricht ist: Gott geht diesen Umweg mit mir. Er hat kein Interesse daran, dass seine Leute sich für immer auf Umwegen befinden. Es ist wie auf der Autobahn heute: Wenn ich wirklich will, kann mich jeder Umweg am Ende zurückführen zu der Ausfahrt, die ich eigentlich von Anfang an hätte nehmen sollen.
(erschienen in der Sendereihe Wort zum Tag bei ERF Plus)