„Kinder, hört auf euch zu streiten“ – vermutlich gibt es keine Eltern, die in ihrer Erziehung ohne diesen Satz ausgekommen sind. Wenn mehrere Kinder in einer Familie zu Hause sind, dann gibt es eigentlich immer etwas zu streiten. Geschwister finden eigentlich immer einen Grund zum Streiten, wenn sie das wollen.
Eltern stehen dieser Art von Streit dann meist verständnislos gegenüber. „Wieso müssen die über solche Nichtigkeiten streiten?“ Über Dinge streiten, die eigentlich ziemlich unwichtig sind – das können wir auch als Erwachsene. Leider gerade auch als Christen.
Ja, manchmal verbergen Christen Meinungsverschiedenheiten auch vorschnell unter einer Decke von Harmonie, anstatt Konflikte offen und fair auszutragen. Aber worum es mir geht, ist diese andere Art von Streit: Kleinlich, destruktiv, in Nebensächlichkeiten verrannt.
Wenn Christen so streiten, finde ich das unangebracht – denn eigentlich müssten sie doch um das große Ganze wissen. Glauben wir nicht an einen Gott, der in seiner Gnade jeden Menschen liebt? Sind wir nicht davon überzeugt, dass kein Mensch Gott gegenüber im Recht ist? Warum sind wir dann oft so verbohrt im Rechthaben?
Sich im Streit um Nebensächlichkeiten zu verrennen, das ist mindestens so alt wie der christliche Glaube selbst. Im Neuen Testament sind uns Briefe des Apostel Paulus überliefert. Und darin wirbt Paulus immer wieder darum, dass Christen sich von unnützen Streitereien fern halten lernen und die Hauptsache des Glaubens nicht aus den Augen verlieren.
Zum Beispiel in seinem Brief an die Christen in Rom: Dort hatten sich Christen gerade in die Haare gekriegt darüber, ob man sich das Fleisch vom heidnischen Opferfest nebenan zum Abendessen grillen darf oder nicht. Der Streit ums Essen drohte die Einheit der Christen zu gefährden, die Nebensache wurde wichtiger als die Hauptsache.
Paulus ermahnt seine Leser deshalb in Kapitel 14 Vers 17: Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.
Paulus sagt hier: „Kinder, hört auf zu streiten“. Der Apostel erinnert die Christen in Rom daran, die Hauptsache wieder zur Hauptsache zu machen: Es geht beim christlichen Glauben doch nicht um Regeln für Essen und Trinken – sondern um Gerechtigkeit vor Gott und Friede untereinander und Freude im Heiligen Geist!
Der Streit um Götzenopferfleisch scheint passé, und wir haben heute andere Themen gefunden, um uns zu streiten: Die „richtige Bibelübersetzung“ etwa, die „richtige Musik im Gottesdienst“, oder auch die „richtige Überzeugung in gesellschaftspolitischen Fragen“. Christen sind bis heute anfällig dafür, im Streit um Nebensachen die Hauptsache aus den Augen zu verlieren.
Ich möchte mir deshalb heute neu sagen lassen, was Paulus den Christen in Rom zu sagen hatte: Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.
(erschienen in der Sendereihe Wort zum Tag bei ERF Plus)
Ich glaube, das Problem ist dabei, dass sich viele gar nicht so sicher sind, wie sie tun. Wenn man einer bestimmten Theologie anhängt, meinetwegen dem christlichen Fundamentalismus, ist es für einen existentiell wichtig, dass die Bibel in allem, aber auch wirklich allem recht hat. Denn sonst würde das ganze System in sich zusammen fallen und man selbst, da man sich mit Haut und Haaren dem verschrieben hat, in seiner Identität und seinem Seelenheil bedroht werden. Also kann nicht sein, was nicht sein darf und wenn ein Argument oder eine These das Gerüst zum Wackeln bringt, wird mit allen nötigen Mitteln dagegen gehalten. Zeugt meiner Meinung nach weniger von Streitlust und mehr von Unsicherheit. Ergibt das Sinn? LG
Ja, da ist sicher was dran. Deshalb habe ich Streit auch nicht auf „Streitlust“ zurückgeführt. Ich vermute, dass hinter unproduktivem Streit im Tiefsten fast immer Ängste liegen (zu kurz zu kommen, übervorteilt zu werden, Macht zu verlieren, Orientierung zu verlieren, …).