Es gibt Menschen, die habe ich nie getroffen, und doch gehören sie zur Familie. Einen meiner beiden Großväter zum Beispiel. Er ist lange vor meiner Geburt gestorben, ich habe ihn nie kennen gelernt. Und doch habe ich ein Bild von ihm. Nicht nur eine alte Fotografie in Schwarz und Weiß, sondern auch eine ganz grobe Vorstellung von seiner Persönlichkeit. Dieses Bild habe ich durch Erzählungen meines Vaters gewonnen.
Interessant, oder? Manche Charaktereigenschaften von einem Menschen bleiben in der Erinnerung der Kinder und der Vorstellung der Enkel. Im europäischen Mittelalter hat man berühmte Personen dazu oft mit einem Beinamen versehen: “Karl der Kühne”, zum Beispiel, oder – weniger schmeichelhaft – “Ludwig der Nichtstuer”. Kein Scherz.
Ich frage mich: Mit welchem Beinamen würde ich … Gott beschreiben? Was zeichnet seine Persönlichkeit aus? Was möchte ich meinen Kindern und Enkeln über den Charakter Gottes weitergeben?
Der Psalmdichter Etan gibt im Alten Testament eine Antwort darauf (Psalm 89, 2):
Ewig will ich die Gnade besingen, die der Herr erwiesen hat. Auch den künftigen Generationen will ich verkünden, wie treu du bist.
Gnade und Treue – das ist die Persönlichkeit Gottes. Das ist das, was Etan künftigen Generationen weitergeben möchte. Im Unterschied zu den Königen des Mittelalters und der Antike ist Gott nicht tot. Deshalb kann jeder Mensch Gottes Gnade und Gottes Treue erleben, der sich auf ihn einlässt.
Was der Psalmdichter Etan erlebt hat, kann ich heute auch erleben: Gott erweist Gnade, und er ist treu.
(erschienen in der Sendereihe Anstoß bei ERF Plus)