Ampelausfall

Super-GAU aller Pendler heute morgen im Berufsverkehr: Auf einer großen zentralen Kreuzung fallen die Ampeln aus, mitten in der City. Mitten im Eisregen. Dutzende Autofahrer aus allen vier Himmelsrichtungen werden von einem Moment zum anderen quer durch Raum und Zeit katapultiert – aus deutscher Ordnung in den Wilden Westen.
Manche tasten sich vorsichtig zögernd in den Kreuzungsbereich vor, dahinter lange Schlangen ungeduldig Drängelnder. Andere fahren selbstbewusst drauflos, der Entschlossene besiegt den Zaudernden. Hinter jedem der Selbstbewussten eine kleine Schar Nachahmer: „Wer so selbstsicher fährt, wird wissen was er tut. Da kann man ruhig mitmachen“, scheint ihr Motto zu sein.
Während ich selbstbewusst und zögerlich in die Kreuzung drängele, wandern meine Gedanken: Wie oft beklagen wir, dass in unserer Gesellschaft die Ampeln ausgefallen sind? Wirtschaft, Werte, Politik, Erziehung, Familie – an immer mehr Stellen, die bisher klar und eindeutig geregelt schienen, blinkt es gelb. Oft fällt Christen und Kirchen kaum mehr ein als die Klage an sich. Vielleicht allenfalls noch das Aufstellen kleiner privater Hilfsampeln am Straßenrand: Schaut her, es ist doch rot! Für eine wirkliche Veränderung für alle reicht das nicht, höchstens das gute Gefühl auf der richtigen Seite zu sein.
Ich muss einsehen: Ich kann die Ampeln für unsere Gesellschaft nicht reparieren. Ich kann keine kleinen privaten Hilfsampeln aufstellen und erwarten, das sich alle oder auch nur die meisten daran halten. Aber eins kann ich, nämlich so fahren (und leben), dass es als Vorbild für andere taugt, die das wollen. Vielleicht sind Ampeln und gesetzliche Regelungen klarer, einfacher, eindeutiger… und auch ein bisschen deutscher. Aber es gibt keine Alternative.
Jesus hat seine Freunde einmal herausgefordert: „Euer Licht soll vor allen Menschen leuchten. Sie werden eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel dafür loben.“ (Matthäus 5,16)
Jesus hat mit dem „Lasst euer Licht leuchten“ nicht gemeint, dass sie viele kleine Ampeln für andere aufstellen sollen. Sondern mit seiner Hilfe das Richtige tun – zur Ehre Gottes und zum Wohle aller. Vermutlich ist es dann wie auf der Kreuzung heute morgen: Jeder der entschlossen und glaubwürdig handelt und zu wissen scheint, warum er etwas tut, ist immer auch Vorbild und Anstiftung zum Nachmachen.
Das war bei Jesus so. Und ein bisschen wünsche ich mir das auch.

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