Doppelhaushälfte

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In der Bahnhofstraße 27 steht eine Doppelhaushälfte. Links, in 27a, wohnt Familie Altenburger. Ich sitze keine fünf Minuten bei ihnen am Kaffeetisch und spüre: Das sind keine fröhlichen Leute. Vater Altenburger hat an jedem etwas auszusetzen: An seinem Arbeitgeber, an der Politik, an seinen Kindern. Entsprechend ungehalten keift der Nachwuchs zurück. Aus jedem Missverständnis wird ein Krieg: Du hast das ja noch nie verstanden… Das musst du gerade sagen… und so weiter.

Nach einer halben Stunde gehe ich. Hole tief Luft und klingle bei Familie Neumeier, 27b. Auch da gibt’s jede Menge Macken und Missverständnisse, und manchmal hauen die beiden Teenager so daneben, dass Mutter Neumeier eingreift: Du möchtest doch auch nicht, dass jemand anders so über dich redet, oder?… ´Tschuldigung, murmelt die Jüngste.

In welcher Doppelhaushälfte würdest du lieber wohnen?

Wenn Sie mich fragen: Meine Wahl fällt klar auf die 27b. Ich würde auch nicht gerne bei den Altenburgers wohnen, wo kein Fehler passiert, ohne dass die Jagd nach dem Schuldigen beginnt. Auch ich würde lieber bei Neumeiers leben, wo man sich um Verständnis und Vergebung bemüht.

Ich glaube, jeder von uns steht jeden Tag vor dieser Frage: 27a oder 27b? Jeder von uns sät mit seinem Denken über andere eine Kultur. Und je rabiater ich mit anderen ins Gericht gehe, desto mehr Kritik ernte ich. Von anderen – und auch von Gott. Denn Gott ist es nicht egal, wie ich mit meinen Fehlern und mit den Fehlern anderer umgehe.

Jesus hat mal gesagt (Matthäus 7,1):

Verurteilt niemand, damit auch ihr nicht verurteilt werdet. Denn so, wie ihr über andere urteilt, werdet ihr selbst beurteilt werden, und mit dem Maß, das ihr bei anderen anlegt, werdet ihr selbst gemessen werden.

Ich glaube, Jesus wohnt in 27b. Und er lädt uns alle ein, bei den Altenburgers auszuziehen und seine Mitbewohner zu werden.

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