Gott, wozu das alles?

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Es war während meines Physikstudiums und ist nun schon viele Jahre her, aber ich kann mich noch ganz genau an mein Gefühl der Empörung Gott gegenüber erinnern: Wie ich mich in meiner damaligen christlichen Studentengruppe ehrenamtlich engagiert habe. Wie wir unsere Mitstudierenden mit einer Veranstaltung einladen wollten, sich mit dem Jesus auseinander zu setzen, der uns allen so viel bedeutete. Wie wir eine lange Sitzung zur Vorbereitung der Veranstaltung hatten. Wie ich danach, irgendwann kurz vor Mitternacht, mit dem Fahrrad nach Hause gefahren bin. Wie ich an einer der vielen Studentenkneipen vorbeifuhr, in der eben diese unsere Mitstudierenden gemeinsam entspannten und fröhlich feierten.

Genau das war der Moment, in jener Nacht auf meinem Fahrrad, als in mir ein Gefühl der Empörung hochkam. Eine Empörung, die sich keineswegs gegen die Kollegen in der Kneipe richtete, sondern gegen Gott: Warum tue ich mir das eigentlich an, Gott? Wozu die ganze Mühe? Warum spare ich mir das nicht einfach, und genieße den Abend zusammen mit Freunden, anstatt mich mit der Organisation einer christlichen Veranstaltung abzumühen, die vielleicht ohnehin niemanden von denen interessiert?

Ich glaube, es gibt bei Gott keine unheilige Fragen. Nur ehrliche. Und meine Frage damals war eine davon: Wozu das alles?

Ich wette, ich bin mit dieser oder einer ähnlichen Frage nicht alleine. Ich wette, alle die sich ehrenamtlich für andere engagieren, kennen solche Momente kurz vor dem Aufgeben. Wozu das alles? Christinnen und Christen bilden da keine Ausnahme: Auch Menschen, die Gott vertrauen, die Zeit und Kraft, Arbeit und Mühe, Gebete und Idealismus einsetzen für die gute Sache, kennen solche Momente von innen.

Wenn man zum Beispiel in die Bibel ein wenig genauer hineinschaut, zieht sich da nicht nur die Wirklichkeit Gottes wie ein roter Faden hindurch und seine Aufforderung an Menschen, das Leben nach ihm auszurichten, sondern immer wieder auch die enttäuschte, frustrierte, empörte und ehrliche Frage: Gott, wozu das alles?

Das gute ist: Wenn Sie mit einer Frage nicht alleine sind, können Sie vielleicht von Antworten lernen, die andere auf dieselbe Frage schon vor Ihnen bekommen oder gefunden haben. Und auch da werde ich in der Bibel fündig, im Neuen Testament. Da waren Leute in der frühen christlichen Gemeinde in Korinth anscheinend genau an dem Punkt wie ich auf dem Fahrrad vor der Kneipe: Gott, wozu das alles?

Nun war der Grund für ihre Frage nicht die möglicherweise vergebliche Mühe, eine christliche Veranstaltung zu organisieren. Sondern der Blick an den Rand des Lebens, auf die eigene Sterblichkeit: Wozu sollen wir als Christen leben, wenn wir doch krank werden und schwach, der Vergänglichkeit und dem Verfall unterworfen sind, und wenn wir am Ende doch sterben müssen wie alle anderen auch? Lohnt sich da unser Gottvertrauen? Lohnt es sich, unser Leben an Gottes Maßstäben auszurichten? Gott, wozu das alles?

Und der Apostel Paulus, der diese Leute geistlich begleitet, geht in einem Brief auf diese Frage ein. Erklärt diese Frage nicht für unzulässig, so nach dem Motto „ein echter Christ fragt so etwas nicht“. Nein, Paulus akzeptiert sie – und dann zeichnet er im 1. Korintherbrief Kapitel 15 ein großes Bild. Ein Bild, das ihre Frage enthält – und gleichzeitig weit über ihre Frage und ihre Gegenwart hinausreicht. Paulus beschreibt, wie unsere menschliche Sterblichkeit nicht das letzte Wort behält, sondern überwunden wird von einem Leben, das ewig ist. Wie die Vergänglichkeit dieser Welt und damit auch die Vergeblichkeit menschlicher Mühen umfasst und überkleidet und verwandelt wird in eine neue Wirklichkeit, die Gott schafft.

Und dann, am Ende seiner Ausführung, zeigt Paulus seinen Schützlingen in der Gemeinde in Korinth, was dieses große Bild der Wirklichkeit Gottes für ihre Frage nach dem „Wozu das alles?“ bedeutet (1. Korinther 15, 58):

Haltet daher unbeirrt am Glauben fest, meine lieben Geschwister, und lasst euch durch nichts vom richtigen Weg abbringen. Setzt euch unaufhörlich und mit ganzer Kraft für die Sache des Herrn ein! Ihr wisst ja, dass das, was ihr für den Herrn tut, nicht vergeblich ist.

Wenn diese Antwort im Angesicht von Tod und Vergänglichkeit trägt – dann trägt sie erst recht auf dem Fahrrad vor der Studentenkneipe. Dann trägt sie auch, wenn ich das nächste Mal müde bin oder frustriert, enttäuscht oder empört. Wenn ich mich frage, ob sich Glauben und Gottvertrauen denn wirklich lohnen. Ob meine Nachfolge Jesu die Mühe wert ist.

Wozu das alles? Weil all das hinein fließt in die neue Wirklichkeit, die Gott mitten in unserer alten, mühsamen und manchmal enttäuschenden Welt schafft.

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