Wer ist hier der Chef?

Es ist in unserem Kulturkreis eine der bekanntesten Erzählungen: Die Geschichte von Kain und Abel. Und das zu Recht, denn ein Brudermord rührt an unserem innersten Wertekompass. Wenn Bedrohung und Lebensfeindlichkeit in der Familie Einzug halten, da wo es doch eigentlich um Vertrauen, Verantwortung und Verbundenheit geht, dann wirft das bedrängende Fragen auf: Wohin mit zerstörerischen Gedanken und Motiven, die sich gegen die richten, die mir nahe sind?

Wir finden die Erzählung von Kain und Abel im 1. Buch Mose, Kapitel vier. Kain und sein jüngerer Bruder opfern beide ihrem gemeinsamen Gott. Und stellen dabei fest, Zitat: „Der Herr blickte freundlich auf Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer schaute er nicht an.“

Die Bibel lässt an dieser Stelle offen, warum Gott so unterschiedlich auf die beiden Opfergaben reagiert und woran diese Reaktion Gottes für Kain und Abel zu erkennen gewesen ist. Eins aber beschreibt die Bibel sehr deutlich: Wie in Kains Gedanken zerstörerische Motive gegen seinen jüngeren Bruder Einzug halten. „Da stieg der Zorn in Kain hoch“, lese ich. Und weiß ganz genau, was damit gemeint ist, denn das Gefühl kenne ich auch: Wie ich mich gedanklich in Frust und Wut hineinsteigere. Wie sich das am Ende bis in meine Körperhaltung hinein ausdrückt. So wie damals bei Kain, von dem es weiter heißt: „… und Kain blickte finster zu Boden“.

Und jetzt? Wohin mit diesen zerstörerischen Gedanken? Wie können Vertrauen, Verantwortung und Verbundenheit in der Familie noch gerettet werden?

Das ist der Moment, in dem Gott eingreift. Ich weiß nicht genau, wie das damals abgelaufen ist – aber Kain hört sehr deutlich das Nachfragen Gottes (1. Mose 4, 6-7):

Warum bist du so zornig? Warum starrst du auf den Boden? Wenn du Gutes im Sinn hast, kannst du den Kopf frei erheben; aber wenn du Böses planst, lauert die Sünde vor der Tür deines Herzens und will dich verschlingen. Du musst Herr über sie sein!

Gott versucht Kain zu helfen, sich der Motive seines Herzens selbst bewusst zu werden: Worauf zielen deine Gedanken gerade, Kain? Gegen wen richten sie sich? Wenn du sie weiter laufen lässt, und wenn du deinen Gedanken Taten folgen lässt – wohin wird dich das führen?

Kain wird von Gott eine Wahl vor Augen geführt: Zielst du auf das Gute, dann gibt es keinen Grund für Zorn gegen deinen Bruder. Zielst du aber auf das Böse – aus welchem Frust und welcher Wut heraus auch immer – dann lass deine Gedanken nicht weiterlaufen. Dann stoppe dich selbst, denn sonst verlierst du die Kontrolle über deine Zukunft und wirst am Ende von deinen eigenen sündhaften Gedanken bestimmt!

Wir wissen, welche Wahl Kain damals getroffen hat. Wir wissen, wie er damit Vertrauen, Verantwortung und Verbundenheit seiner Familie zerstört hat. Und wie er dadurch bis heute bekannt wurde als Warnung, Frust und Wut nicht freien Lauf zu lassen, sondern auch über die dunklen Motive des eigenen Herzens mit Gott im Gespräch zu bleiben.

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