Wie lange noch?

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Wie lange soll das noch gehen? Wie lange noch Krieg in der Ukraine, Raketen und Bomben auf Zivilisten, gesprengte Dämme, Zerstörung, Kriegsverbrechen. Und mit den Leichen türmen sich Unrecht und Hass zum Lebensballast einer ganzen Generation, die selbst im Falle eines Kriegsende auf Jahre hinaus wenig Gutes verheißt.

Und der Krieg in der Ukraine, das ist nur das eine Zerstörungswerk direkt vor unserer Haustür. Unsere Welt ist voll von vielen anderen Kriegen, und unsere Menschheitsgeschichte auch. Zählt man alle kriegerischen Konflikte der letzten Jahrhunderte zusammen, kommt man schnell auf 500 Millionen Tote – konservativ geschätzt. Würde man all diese getöteten Männer, Frauen und Kinder nebeneinander legen, bräuchte man ein Leichentuch von fast 2.000 Quadratkilometern. Und obwohl uns heute Leid und Gewalt und Tod über unsere Medien so umfassend und ununterbrochen vor Augen geführt werden wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte, können wir trotzdem wohl nur ansatzweise nachfühlen, wie monströs die Zerstörungsgewalt ist, die in dieser Welt seit Jahrtausenden wütet.

Der Tod ist tatsächlich eine Großmacht in unserer Welt. Als Einzelne stehen wir ihr so hilflos und ohnmächtig gegenüber, dass wir uns die Frage „Wie lange noch?“ schon fast abgewöhnt haben. „So war der Mensch schon immer“ seufzen wir – und nehmen weiter hin, was wohl nicht zu ändern ist.

Gut, dass Gott anders ist.

Gott weiß ziemlich genau, wie der Mensch ist. Kein Wunder, er hat den Menschen liebevoll geschaffen und in diese Welt gerufen. Gott hat es mit tiefem Seufzen hingenommen, als der Mensch sich von Gottes guten Absichten abgewandte und sich entschied, Richtig und Falsch in die eigene Hand zu nehmen. Als wenig später Kain den Abel tötete, versuchte Gott, einer endlosen Kettenreaktion aus Gewalt und Gegengewalt seiner Geschöpfe Grenzen zu setzen.

Und wir Menschen? Wir denken bis heute immer wieder, dass der Zweck die Mittel heiligt. Dass all diese Opfer von Gewalt und Krieg und Tod es irgendwie wert sein könnten. Wert sein müssen. Und so sind wir weiter gefangen in einer tödlichen Spirale. Weben weiter am Leichentuch, das über der Menschheit liegt.

Gut, dass Gott anders ist.

Gott nimmt nicht hin, dass wir Menschen sind, wie wir sind. Gott hat sich die Frage „wie lange noch?“ nicht abgewöhnt – im Gegenteil: Er hat begonnen, sie zu beantworten. Und zwar schon im Alten Testament, im Buch des Propheten Jesaja (Jesaja 25,7):

Der Herr wird den Trauerflor zerreißen, der allen Völkern das Gesicht verhüllt; er wird das Leichentuch entfernen, das über den Nationen liegt. Den Tod wird er für immer vernichten und von jedem Gesicht die Tränen abwischen. Dann nimmt er die Schande von seinem Volk, unter der es überall gelitten hat. Der HERR, der mächtige Gott, hat es versprochen! An jenem Tag wird man sagen: »Er, der Herr, ist unser Gott! Auf ihn hatten wir unsere Hoffnung gesetzt und er hat uns die Rettung gebracht; wir haben nicht vergeblich gehofft. Nun können wir voll Freude singen, weil er unser Retter ist!«

 In typischer hebräischer Prophetenmanier fließen hier Zukunft und Gegenwart sprachlich ineinander, und Gottes Versprechen schafft so viel Gewissheit, als wäre sie bereits eine Tatsache der Vergangenheit: Der Herr wird den Tod vernichten… Gott nimmt die Schande… Gott hat uns die Rettung gebracht…

Mich weckt diese Perspektive auf. Sie weckt mich auf aus der Abstumpfung angesichts medial allgegenwärtiger Gewalt. Sie weckt mich auf aus Ohnmacht und Hilflosigkeit und Zynismus im Angesicht von Leid, Sterben und Tod. Sie weckt mich auf und lässt mich die Frage neu stellen: „Wie lange noch?“

Nicht seufzend-resigniert, als gäbe es keine Antwort. Sondern voll neuer Hoffnung: Gott ist anders als wir. Er wird unterwirft sich nicht der Großmacht des Todes – sondern er wird zum Retter. Er wird den Tod für immer vernichten und von jedem Gesicht die Tränen abwischen. Nein, noch nicht heute. Aber es hat begonnen. Und was Gott begonnen hat, das führt er auch zu Ende.

„Wie lange noch?“ frage ich.

„Ganz bestimmt“, sagt Gott.

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