Gut gedacht, nie gemacht

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„Man müsste doch mal…!“ – „Könnte man nicht einfach…?“ – „Warum machen wir nicht…?“… ja, warum eigentlich nicht? Warum tun sich so viele Teams und Organisationen oft so schwer damit, gute Ideen auf die Straße zu bringen – von der Kirchengemeinde über die Non Profit-Organisation bis zum etablierten Industriebetrieb?

Ich habe da einen Verdacht, warum Ideen nicht häufiger, schneller und besser den Weg vom Whiteboard in die Wirklichkeit finden. Oder besser gesagt: Vier Verdachtsmomente. Ich kenne sie ganz gut – denn es sind immer wieder auch meine, leider Drehen wir’s ins Positive – und machen wir daraus vier Beschleuniger, wie man gute Ideen schneller auf die Straße bringt:

  1. Aus gewohnten Denkmustern ausbrechen. Viele meiner Ideen sind  Verlängerungen von dem, was ich ohnehin schon mache. Nur vielleicht noch ein bisschen schöner. Interessanter. Aufwändiger. Moderner. Wie wäre es, wenn ich lernen könnte, neue Ideen auszubrüten? Ideen, die echte Gamechanger werden könnten? Die mein Tun und mein Team auf eine ganz neue Ebene der Wirksamkeit heben?
  2. Erfahrungen suchen, nicht Konzepte. Ein Konzept gibt mir das Gefühl, eine neue Wirklichkeit zu erschaffen – dabei ist jedes Konzept bis auf Weiteres nur Theorie. Ich arbeite vielleicht viele Monate daran, aber ich weiß bis zum Schluß nicht, ob es überhaupt funktionieren wird. Was wäre, wenn ich weniger Konzepte schreiben würde, sondern Ideen stattdessen von Anfang an mutig ausprobieren, mutig Fehler machen, mutig daraus lernen und konsequent verbessern würde?
  3. Perfektionismus bekämpfen.  Besonders wenn ich zusammen mit anderen Ideen entwickeln will, dauert es oft lange, bis die Idee in der Praxis ankommt – wenn überhaupt. Da will vorher er gefragt werden, sie möchte eingebunden sein, und auch jene Stelle muss auch erst noch eine Stellungnahme dazu abgeben. Ich glaube, jeder neigt zu Perfektionismus in den Themen, die ihm oder ihr persönlich wichtig sind und wo wir viel Erfahrungswissen haben. Jeder möchte ja nur das Gute und die gemeinsame Idee ein Stück besser machen. Und doch macht die Summe aller dieser Perfektionismen neue Ideen auch langsam, schwerfällig und teuer. Wie wäre es, mit Unfertigem in die Praxis zu gehen – und eine Idee erst dann zu perfektionieren, wenn sie da draußen wirklich greift?
     
  4. Mit den Leuten reden, statt für sie zu denken. Ich glaube, das gilt besonders in Teams und Organisationen mit ideellem Anspruch und Sendungsbewusstsein (Obacht, christliche Initiativen und Projekte!). Ich zerbreche mir den Kopf, was die Leute draußen wollen sollten, was sie mögen könnten, und was für sie gut ist. Ich lese Studien und wälze Sinus-Milieus und finde all das unglaublich „spannend“. Ich entwickele meine Ideen um diese meine Vorstellungen herum. Wie wäre es, Ideen von Anfang an auf Tuchfühlung mit den Leuten zu entwickeln, für die sie am Ende gut sein sollen?

Wie gesagt – ich glaube dass diese vier Verdachtsmomente in (fast) allen Projekten, Teams und Organisationen wiederzufinden sind, manchmal bis tief hinein in die etablierte Arbeitskultur hinein. Und je stärker ein Team oder einer Organisation von der tatsächlichen Wirksamkeit in ihrer Zielgruppe entkoppelt ist (man denke an Großkirchen, Verwaltungsbehörden oder das Beschaffungswesen der Bundeswehr), desto schwerer fällt es ihnen, gute Ideen schnell auf die Straße zu bringen.

Umgekehrt lässt sich das lernen von den Organisationen, die jeden Tag neu mit dem Rücken zur Wand stehen und weder Zeit noch Geld haben für ausgefeilte Konzepte, vorauseilenden Perfektionismus oder scheinpräzise Analysen: Den Start-Ups. Viele Start-Ups wünschen sich die Ressourcen, auf die eine große, etablierte Organisation in der Regel zurückgreifen kann. Aber eins können sie besser als die „Großen“: Gute Ideen schnell auf die Straße bringen. Weil sie keine andere Wahl haben.

Was mich umtreibt, ist die Frage, wie man das von Start-Ups lernen kann, obwohl man die Wahl hätte, es nicht zu tun. Denn in einer Zeit disruptiver Veränderung kann es sich am Ende keine Organisation wirklich leisten, ihre gute Ideen nicht schnell auf die Strasse zu bringen.

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