Kümmern oder Kritisieren? Beides!

„Heute hat mein Chef mal wieder rumgebrüllt“ – wie viele Arbeitnehmer bringen abends diesen oder einen ähnlichen Satz mit nach Hause? Der Vorgesetzte hat klar und deutlich kommuniziert – aber dass  ihm die Beziehung zu seinen Mitarbeitern wichtig ist, ist dabei wohl nicht wirklich rübergekommen.
„Ich habe bei meinem Vorgesetzten echt einen Stein im Brett, der hat noch nie über meine Arbeit gemeckert“ – was für viele Angestellte zunächst beneidenswert klingt, nämlich ein immer verständnisvoller und nie kritischer Chef, bringt sie langfristig nicht wirklich weiter.
„Leiter leben von einer guten Balance zwischen Kümmern und Kritisieren“, sagt Leiterschaftsexperte und Autor John Maxwell. Dabei geht es mitnichten um „Zuckerbrot und Peitsche“, sondern um wirklich gute, belastbare, professionelle Beziehungen zwischen Chefs und Mitarbeitern. Die meisten Vorgesetzten neigen dazu, auf einer Seite dieser Balance vom Pferd zu fallen. Aber das beeinträchtigt die Entwicklung dieser Beziehungen und torpediert damit sowohl den langfristigen Erfolg der Organisation als auch das positive Arbeitsklima für die Arbeitnehmer. Für Maxwell ist klar:

Care without candor creates dysfunctional relationships. Candor without care creates distant relationships. But care balanced with candor creates developing relationships.

Zu Deutsch:

Kümmern ohne Kritik erzeugt Beziehungen, die nicht wirklich funktionieren. Kritik ohne Kümmern erzeugt Distanz. Aber Kümmern und Kritisieren in Balance erzeugt Beziehungen, die sich gesund weiterentwickeln.

Viele Beschäftigte haben schon erlebt, wie der eigene Chef eine unangenehme Konfrontation aus Angst oder einer einseitigen „Kümmer“-Tendenz auf die lange Bank schiebt. War dieses Verhalten für die übrigen Kollegen im Team hilfreich? Und umgekehrt alle Leiter gefragt: Welches problematische Verhalten, welches Leistungsdefizit eines Mitarbeiters ist von alleine verschwunden, nur weil man gehofft hat, dass das „schon irgendwie weggeht?“
Also, ran an den Speck! Hier ist Maxwells Checkliste zum Überprüfen der eigenen Motivlage, um Kümmern und klare Kritik im Gespräch unter einen Hut zu bringen:

  • Habe ich in die Beziehung so viel investiert, dass ich offen Kritik äußern kann?
  • Wertschätze ich mein Gegenüber wirklich als Mensch?
  • Bin ich sicher, dass das wirklich das Problem meines Mitarbeiters ist und nicht vielmehr mein eigenes?
  • Bin ich sicher, dass ich mich nicht bedroht fühle?
  • Ist der Gesprächsgegenstand wichtiger als die Beziehung?
  • Dient das Gespräch auch den Interessen meines Gegenübers und nicht nur meinem?
  • Bin ich bereit, Zeit und Energie zu investieren um meinen Mitarbeiter bei Veränderungen zu unterstützen?
  • Bin ich bereit, ihm oder ihr zu zeigen wie es geht, anstatt nur zu kritisieren was schiefläuft?
  • Bin ich willens und fähig, klare und konkrete Erwartungen zu formulieren?

Wenn die Antworten auf diese Fragen „ja“ lauten, bin ich als Leiter gut aufgestellt für ein konfrontatives Gespräch. Spaß wird es trotzdem nicht machen. Aber das macht der Besuch beim Zahnarzt auch nicht – und dennoch geht man auch da meistens mit dem guten Gefühl nach Hause, das Richtige getan zu haben.
Konkrete Frage: In welcher deiner professionellen Beziehungen ist in Zukunft mehr „Kümmern“ angesagt? Und wo ist jetzt eine klare „Kritik“ dran?

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