Agile Leadership: Fokus

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Dieser Post ist Teil einer Toolbox für Agile Leadership für Führung in unserer heutigen „VUCA-Welt“ (VUCA = Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity), in der Berechenbarkeit, Kontrolle und Stabilität wie Relikte aus der Vergangenheit wirken. Jede Welt braucht und erzeugt eine passende Führungskultur. Für die VUCA Welt ist das Agile Führung (Agile Leadership).

Agile Führungsinstrumente werden umso besser funktionieren, je mehr die Organisation insgesamt von einem agilen Mindset geprägt ist (bei ERF – der Sinnsender sind wir gerade in der Transformation in eine agile Organisation). Aber du kannst die Führungsinstrumente in dieser Toolbox auch einzeln anwenden und damit auch in einer klassischen Organisation ein Stück neue, agile Kultur säen. 


Was wollte ich noch gleich im Keller?

Ich will nur schnell im Keller eine neue Packung Milch für meinen Kaffee holen, der gerade durch die Maschine läuft. Und wenn ich schon die Treppe runter laufe, nehme ich kurz noch was mit runter zum Altglas. Hänge in der Waschküche ein paar Handtücher ab, die inzwischen trocken sind. Ich komme die Treppe wieder rauf, will meinen Kaffee aus der Maschine holen – und hab die Milch im Keller vergessen.

Kennst du auch, oder? Hat nicht nur mit zunehmendem Alter zu tun, sondern vor allem mit einem: Fokus.

Besser gesagt: Dem Verlust von Fokus. Und das kommt im Arbeitsalltag der meisten Menschen und Organisationen mindestens genauso oft vor, wie bei mir zu Hause auf der Kellertreppe: Zu viele Aufgaben gleichzeitig vor der Brust, zu viele Meetings zu dicht hintereinander, in Gedanken noch mit der letzten E-Mail beschäftigt, noch schnell auf zwei, drei unvorhergesehene Anfragen reagieren – und schon rutscht uns das weg, was wir eigentlich tun wollten. Tun sollten.

Checkfrage: Wie viel produktiver wärst du, wenn es dieses „eigentlich“ nicht mehr gäbe? Weil du tatsächlich bei dem bleibst, was du tun wolltest und tun solltest?

Genau. Fokus ist ein Gamechanger.

Wenn du für dich und dein Team mehr Fokus willst, hast du dafür zwei Stellschrauben:

  1. Fokus bei der Auswahl der nächsten Aufgabe
  2. Fokus beim Durchziehen der Aufgabe, die du gewählt hast

Bei beiden Stellschrauben geht es darum, eine Disziplin des Denkens und des Handelns einzuüben. Und ja, es gibt Tools, die dich und euch als Team dabei unterstützen können.

Für diese beiden Stellschrauben brauchst du Transparenz über alle Aufgaben und Projekte und To Dos, die du im Kopf hast und die, die du bereits angefangen hast. Alles auf deiner Agenda liegt in genau einer von zwei Schubladen: „Müsste ich mal machen“ (Warteliste, Themenspeicher, … in der agilen Denkschule nennt man das manchmal Backlog) und „Habe ich angefangen zu tun“ (Angefangen, Doing,… oft auch: Work in progress).

In agilen Methodik-Werkzeugkästen wie Scrum oder Kanban nennt man diese Schubladen oft buckets – der Name ist eigentlich egal, und du brauchst dich auch nicht gleich mit den vollständigen Methodenkoffern von Scrum oder Kanban zu befassen, um für dich und dein Team Fokus zu gewinnen. Die Unterscheidung zwischen „müsste ich mal machen“ und „habe ich angefangen zu tun“ ist der erste, grundlegende Schritt zu mehr Fokus.

Wie du’s nennst, ist also völlig egal, wichtig sind nur drei Grundsätze:

  1. Eine Aufgabe kommt nur durch deine bewusste Entscheidung (oder die gemeinsame Entscheidung von euch als Team) vom Backlog zu Work in progress.
  2. Voraussetzung dafür ist, dass in Work in progress auch Platz dafür ist. Was nützt es dir, wenn du schon fünf angefangene Aufgaben nicht fertig kriegst, und noch eine sechste dazu nimmst?
  3. Aus der Schublade Work in progress geht die Karte nicht mehr zurück, sondern was du angefangen hast, machst du auch fertig.

Stop starting and start finishing, sagen sie dazu in der agilen Denkschule. Mach erstmal fertig, was du angefangen hast, damit du Kopf, Zeit und andere Ressourcen frei hast für neues. Ansonsten verzettelst du dich immer wieder – so wie ich in meinem Keller.

Stop starting and start finishing, das ist in erster Linie eine Frage an deine Selbstführung. Oder an dich als Führungskraft, wenn du den Fokus in deinem Team verbessern willst. Kein Tool der Welt kann dir das abnehmen, so denken und handeln zu wollen. Wenn du aber so denken und handeln willst, gibt es Tools, die dich dabei unterstützen.

Am einfachsten und auch am wichtigsten ist dabei, das dein Tool aus einer einfachen To Do-Liste eine Liste mit zwei Schubladen machen kann – eine für „muss ich noch machen“, und eine für „hab ich angefangen zu tun“. Das kannst du entweder auf Papier abbilden (für dein Team auf einem gemeinsamen Flipchart, Whiteboard oder mit Klebezetteln) oder in einem digitalen Tool wie Planner (Teil von Microsoft Office 365), Trello o.ä., auf das du und alle in deinem Team Zugriff haben. Wichtig ist nur, dass dein Tool die Trennung deiner Aufgaben in zwei Schubladen nicht nur berücksichtigt, sondern sie auch visualisiert. Damit du auf einen Blick siehst, welche Aufgaben bereits begonnen wurden und den Fokus brauchen, um sie zu Ende zu führen, bevor etwas neues begonnen werden kann.

Gerade wenn ihr als Team so zu arbeiten beginnt, entsteht nach wenigen Wochen Bedarf nach einem strukturierten Gespräch über euer „Planungs-Board“, und ihr seid ready für das nächste Tool aus dem agilen Methodenkoffer: Kanban (oder Scrum). Ihr werdet bei den Aufgaben in der Schublade „Work in progress“ festhalten wollen, wer von euch sich um die Aufgabe kümmert, bis wann sie erledigt sein sollte, welche Unteraufgaben es gibt, zu wie viel Prozent sie bereits geschafft ist usw.

Aber das ist ein Thema für einen späteren Post.

Nicht alles auf einmal, sonst vergisst du am Ende noch, was du eigentlich wolltest. Fang am besten erstmal an, eine neue Sache einzuüben: Fokus.

1 Antwort
  1. Peter

    Bisher war das „agile Unternehmen“ für mich ein nebulöses, mit möglichst vielen englischen Fachbegriffen überladenes Gebilde, das sich clevere Unternehmensberater ausgedacht haben.

    Aber den Inhalt des heutigen Posts kann ich durchaus nachvollziehen. Das Fokussieren macht auf jeden Fall Sinn.

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