Agile Leadership: Timeboxing

0

Dieser Post ist Teil einer Toolbox für Agile Leadership für Führung in unserer heutigen „VUCA-Welt“ (VUCA = Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity), in der Berechenbarkeit, Kontrolle und Stabilität wie Relikte aus der Vergangenheit wirken. Jede Welt braucht und erzeugt eine passende Führungskultur. Für die VUCA Welt ist das Agile Führung (Agile Leadership).

Agile Führungsinstrumente werden umso besser funktionieren, je mehr die Organisation insgesamt von einem agilen Mindset geprägt ist (bei ERF – der Sinnsender sind wir gerade in der Transformation in eine agile Organisation). Aber du kannst die Führungsinstrumente in dieser Toolbox auch einzeln anwenden und damit auch in einer klassischen Organisation ein Stück neue, agile Kultur säen. 


Wie viele Meetings hast du als Führungskraft in einer durchschnittlichen Woche? Wie viel Zeit investiert ihr als Team in die gemeinsame Ausarbeitung von Ideen und in die Entscheidungsfindung? Glaubst du, das würde auch in weniger Zeit gehen? In deutlich weniger Zeit? Und wenn ja – wie viel mehr Ideen und Entscheidungen würdet ihr als Team in einer durchschnittlichen Woche erzeugen? Würde das einen Unterschied machen?

Die Erfahrung zeigt: 80-90% aller Entscheidungen in einer Organisation können in der Regel innerhalb weniger Minuten getroffen werden. 80-90% aller Ideen können innerhalb weniger Minuten ausreichend weit skizziert werden, um damit in die ersten Schritte der Umsetzung zu starten. Die Erfahrung zeigt auch: 80-90% aller Teams in Organisationen brauchen für Ideen und Entscheidungsfindung ein Mehrfaches dieser Zeit.

Dafür gibt es viele Gründe: Manche sind einfach gerne zusammen, manche hören sich gerne reden, manche haben Angst vor Entscheidungen unter Unsicherheit, manche haben einen perfektionistischen Selbstanspruch, manche bearbeiten Themen lieber im Konjunktiv („man sollte eigentlich…“) statt in der Umsetzung („wie können wir…?“), manche haben Angst vor Risiko oder Misserfolg. Aber in einer VUCA-Welt können Organisationen gar nicht mehr anders arbeiten als unter Unsicherheit. Wir können es uns nicht leisten, auf gute Ideen und Entscheidungen zu lange zu verzichten. Denn bis wir damit endlich fertig sind und in die Umsetzung starten, hat sich die Welt da draußen ein ganzes Stück weitergedreht, und unsere Ideen und Entscheidungen passen nicht mehr so gut.

Deshalb ist es in der Regel ein Gewinn für alle, wenn du und dein Team Ideen und Entscheidungen viel schneller zur Welt bringst. Das Tool dafür heißt Timeboxing – also eine vorab getroffene Festlegung im Team, wie viel Zeit die Diskussion der Idee oder die Entscheidungsfindung dauern darf. Und zwar mit einem harten Limit: Keine endlosen Verlängerungen, keine Arbeitsgruppen, keine Prüfschleifen, keine Nachverhandlungen.

Als ich vor einigen Jahren auf einem Workshop zum ersten Mal Timeboxing als Teammitglied erlebt habe, hat sich zuerst alles in mir dagegen aufgelehnt: „Wie soll das denn gehen? Wie sollen wir denn so Qualität abliefern?“ Aber ich habe beschlossen, mich darauf einzulassen, und ich habe erlebt: Timeboxing funktioniert. Es versetzt mich in einen anderes, lösungsorientierteres Mindset und schafft einen klaren Fokus auf das Thema. Es diszipliniert ungemein in Diskussionen, bremst Vielredner, bewahrt vor Endlosschleifen, Ergebnislosigkeit und Perfektionismus. Danach haben sich meine Fragen in dem Workshop verändert: Wow – kann ich mir so etwas abseits eines Workshop-Settings auch für den Regelbetrieb in der Organisation vorstellen, in der ich Führungsverantwortung trage? In den Teams, in denen ich jeden Tag mitarbeite?

Ich habe gelernt: Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden. Man muss das Ausprobieren. Und nicht nur einmal, denn beim ersten Mal werden in deinem Team all die „Abers“ auftauchen, die ich selbst auch bei „meinem ersten Mal“ hatte. Und dann muss man es vielleicht ein paar Mal üben. Aber meine Erfahrung ist: Die Chance ist tatsächlich gar nicht so schlecht, in fünf oder zehn oder fünfzehn Minuten wesentliche Ideen zu erarbeiten und Entscheidungen zu treffen, für die man vorher 60 oder 90 Minuten angesetzt hat (und dann das Ergebnis immer noch als „Entwurf“ abgespeichert hat) . Vielleicht ist es nur eine 80%-Idee oder eine 80%-Entscheidung. Daran muss man sich erstmal ein wenig gewöhnen, besonders die Stetigen und Gewissenhaften, die Idealisten und „Überzeugungstäter“. Aber mehr als 80% vom Optimum braucht es in den meisten Fällen nicht, denn mehr Perfektion braucht unverhältnismäßig viel mehr Zeit – und die wäre in einer VUCA-Welt meistens schlecht investiert.

Vielleicht hast du Lust bekommen, Timeboxing einmal praktisch auszuprobieren? Hier sind noch ein paar Tipps dazu:

  • Nutze einen analogen Timer mit einer gut sichtbaren Zeitscheibe oder eine Timeboxing App
  • Der Timer muss für das ganze Team gut sichtbar sein (alternativ: die Moderation muss laufend die noch verbleibende Zeit nennen)
  • Wenn die Zeit abgelaufen ist und das Team den Eindruck hat, eine sehr kurze, einmalige Verlängerung würde zum Abschluss führen, lass über die Gewährung einer einmaligen definierten Verlängerung abstimmen („wollt ihr noch 3 Minuten…?“)
  • Beende das Thema nach Ablauf der Zeit bzw. handle auf Basis der dann vorliegenden Entscheidung
  • Es macht Sinn, Timeboxing zuerst mit einfachen Ideen und Entscheidungen auszuprobieren, denn es braucht ein paar Durchläufe Zeit, sich daran zu gewöhnen und das Gefühl einer „Pistole auf der Brust“ abzulegen. Besonders deine stetig und gewissenhaften Leute im Team müssen erstmal spüren können, dass auch in einem bewusst gesetzten Zeitfenster sinnvolle Ideen und Entscheidungen möglich sind.

Wie funktioniert Timeboxing für dich und dein Team? Lass uns gerne per Kommentar an deinen Erfahrungen teilhaben.

Schreibe einen Kommentar