Göttliches Risiko

Wenn man aus dem Flugzeug nach unten schaut, sehen die meisten Straßen gerade und eben aus. Wer dagegen auf der Straße unterwegs ist, sieht sich mit Kurven, Spurrinnen und Schlaglöchern konfrontiert, die aus großer Höhe nicht zu erkennen waren.
So ist es auch mit der Anfangszeit der christlichen Kirche, beschrieben in der „Apostelgeschichte“ des Neuen Testaments. Zum Beispiel in Kapitel 13, dem Anfangspunkt für die allererste Reise (damals vergleichsweise beschwerlich) die mit der Absicht begonnen wurde, die Gute Nachricht von der Liebe Gottes in Regionen zu tragen, in denen noch nie ein Mensch davon gehört hatte. Auf den ersten Blick aus großer Höhe liest sich das sehr unkompliziert und zielstrebig, als Gott ein neues Kapitel seiner Geschichte mit der Gemeinde Jesu aufschlägt (Apostelgeschichte 13,1-3):

Es waren aber in Antiochia in der Gemeinde Propheten und Lehrer, nämlich Barnabas und Simeon, genannt Niger, und Luzius von Kyrene und Manaën, der mit dem Landesfürsten Herodes erzogen worden war, und Saulus. Als sie aber dem Herrn dienten und fasteten, sprach der Heilige Geist: Sondert mir aus Barnabas und Saulus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe. Da fasteten sie und beteten und legten die Hände auf sie und ließen sie ziehen.

Erst wenn ich mich in die damalige Gemeindesituation in Antiochia hineinversetze, sehe ich die Herausforderungen, vor denen die Christen in Antiochia da gestanden haben:

  1. Barnabus und Saulus waren gerade erst von einer Reise nach Jerusalem zurückgekommen (Apg 11,30), bei der sie in eine Zeit gefährlicher politischer Turbulenzen hineingerieten – mit Lebensgefahr für prominente Christen (Apg 12). Nun lassen sie schon wieder die Sicherheit und Stabilität in Anitochia zurück, unterwegs in eine ungewisse Zukunft.
  2. In der Gemeinde gab es insgesamt fünf fähige „Propheten und Lehrer“ – Barnbas, Simeon, Luzius, Manaën, Saulus. Nun beruft Gott zwei dieser auf unbestimmte Zeit aus der Gemeinde ab, um an anderen Ortenzu arbeiten. Die Gemeinde verliert Aufgrund der Berufung Gottes auf einen Schlag 40% ihrer begabten Leiter.
  3. Die Gemeinde ist empfindsam genug um die Berufung von Saulus und Barnabas im Reden des Heiligen Geistes überhaupt wahrzunehmen. Wären sie vor allem mit dem Am-Laufen-Halten bestehender Programme und Angebote beschäftigt gewesen, hätten sie vermutlich verpasst, das Gott durch sie ein neues Kapitel seiner Geschichte aufschlagen möchte.

Wie gehen wir heute mit solchen Herausforderungen um? Wo sind wir bereit, Stabilität gegen Risiko einzutauschen? Wo sind wir bereit, eine fruchtbare Gemeindearbeit einzutauschen gegen eine neue Berufung Gottes? Wo sind unsere Gemeinden bereit, eigene Ressourcen loszulassen, damit an anderer Stelle im Reich Gottes etwas Neues, Größeres wachsen kann? Wo sind wir – als Leiter uns als Gemeinden – sensibel genug für das Reden des Heiligen Geistes?
Wenn Gott in unserer Mitte ein neues Kapitel seiner Geschichte aufschlagen möchte – wäre es uns all das wert?

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