Was haben Länder wie Vietnam, Kenia und Brasilien gemeinsam? Ihre digitale Wirtschaft wächst schneller als in Deutschland. „Kein Wunder“, sagen wir mit zufriedenem Blick auf unseren WLAN-Router, „die haben ja auch eine Menge Nachholbedarf“. Kein Grund zur Sorge. Kein Grund zur Sorge?
Die drei Wirtschaftswissenschaftler Bhaskar Chakravorti, Christopher Tunnard und Ravi Shankar Chaturvedi von der Tufts University in Boston haben unseren Planeten vermessen und festgestellt: Deutschland gehört in Sachen digitale Wirtschaftskraft zu den Top 20 der Welt – noch. Aber die Hälfte dieser zwanzig führenden Länder entwickelt sich schneller weiter, während Deutschland bei der Digitalisierung allmählich Momentum verliert. Es sind Länder wie Estland, Neuseeland oder Malaysia, die beim Digitalausbau ihrer Wirtschaft schon fast zu Deutschland aufgeschlossen haben, aber dabei mit einer zum Teil wesentlich größeren Geschwindigkeit unterwegs sind.
Während wir in Deutschland über den Breitbandausbau in ländlichen Regionen diskutieren, über Buchpreisbindung für E-Books und Rundfunkgebühren für mobile Endgeräte, spielt die Musik der digitalen Dynamik zunehmend in anderen Ländern. Um in der Entwicklung der Digitalwirtschaft wieder Tempo zu gewinnen, empfehlen die Wissenschaftler Deutschland und anderen wohlhabenden aber demographisch alternden Ländern übrigens einen stärkeren Fokus auf Innovation und das Anziehen junger, gut ausgebildeter Einwanderer aus anderen Ländern.
Werden wir Innovation und Immigration wirklich als wichtige Faktoren für unsere Wirtschaftskraft der Zukunft ernst nehmen? Werden wir aus unserem gesellschaftlichen Mix aus Zukunftsskepsis und Selbstzufriedenheit herausfinden?
Während der industriellen Revolution hat sich das Land der Dichter und Denker erfolgreich zum Land der Ingenieure weiter entwickelt. Ob uns das in der digitalen Revolution noch einmal gelingt, ist noch lange nicht ausgemacht.