Machen statt Meta

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Viel wird in diesen Wochen geschrieben und gesendet über die Abgehobenheit von „denen da  oben“ von den „echten Problemen“ der Bevölkerung: „Vertrauen der Deutschen in die Demokratie nimmt rapide ab“, titelt die WELT – und berichtet von einer aktuellen Studie der Körber-Stiftung, nach der mittlerweile 54% der Bevölkerung hierzulande „weniger großes“ oder „geringes“ Vertrauen in die Demokratie hätten. Ein „Leben in Freiheit Glleichheit sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung“ schätzen danach weiterhin 90% der Befragten, aber nur noch ganze 9% geben an, politischen Parteien zu vertrauen. Und 71% sagen, dass „führende Personen in Politik und Medien in ihrer eigenen Welt leben, aus der sie auf den Rest der Bevölkerung herabschauen“.

Ich finde es beruhigend, dass Demokratie in meinem Land so grundsätzlich positiv gesehen wird. Ich finde es alarmierend, dass so viele Menschen sich und ihre Probleme nicht gesehen, repräsentiert und verstanden fühlen von „denen da oben“. Ich finde es dramatisch, dass in Politik und Medien immer noch so wenig konstruktive und selbstkritische Auseinandersetzung mit diesem Befund bemerkbar ist.

Kein Wunder, dass sich rund 20% der Menschen vorstellen können, bei der nächsten Bundestagswahl die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ wählen zu können (die ich in Teilen für eine gefährliche Scheinalternative halte). Aber selbst angesichts dieser Prognose erkenne ich wenig Einsicht, im Gegenteil: Auch die Diskussion über diese Umfrageergebnisse findet politisch und medial wieder fast nur auf einer Metaebene statt (Stichwort: „Brandmauer gegen rechts“).

Ich glaube mittlerweile, diese Gefangenheit auf der Metaebene ist weder ein deutsches Problem noch ein speziell politisches, sondern ein allgemein psychologisches und soziologisches: Wir haben als Gesellschaft gelernt, für die Lösung konkreter Alltagsprobleme die Themen zu abstrahieren, zu reflektieren, theoretisch zu durchdringen, auf hoher Flughöhe zu diskutieren. Und es stimmt ja auch: Viele Baustellen kann man besser bearbeiten, wenn man mal mit Abstand und „von oben“ draufschaut, als wenn man mit Gummistiefeln im Matsch steht. Aber im Lauf der Zeit kann daraus die Gewohnheit werden, sich gar nicht mehr aus dem Architektenbüro heraus zu begeben und sich auf der Baustelle ein eigenes Bild von der Lage zu machen (und zwar nicht, um die eigenen Absichten als Architekt besser zu „vermitteln“, sondern um einen neuen, geweiteten Blick auf die Wirklichkeit zu gewinnen).

Das kann auch Politik passieren. Oder Medienmachern. Oder Kirchenleitungen. Oder Führungskräften. Oder anderen, die gewohnt sind, auf ihren jeweiligen Metaebenen zu denken, zu planen und zu kommunizieren. Und je länger sie auf ihrer Metaebene unterwegs sind, desto weniger spüren sie die Baustelle. Desto weniger denken und rechnen sie in einer anderen Währung als in der, die auf der Metaebene zählt. Desto weniger haben sie präsent, das ein kluges Konzept noch lange keine echte Problemlösung ist. Dass so manches, was auf der Metaebene so wichtig und dringlich ist, außerhalb der Metaebene kaum von Bedeutung ist. Dass es der Baustelle oft egal ist, ob man auf der Metaebene auf der richtigen Seite steht oder nicht. Dass gut gemeinte Worte und gutes Geld manchmal nicht hinreichend sind, um im Matsch weiter zu kommen. Und dass ein positives Medienecho noch lange nicht das gleiche ist wie echter Baufortschritt.

Aber am Ende gibt es nur ein echtes Erfolgskriterium: Es geht voran. Wir kommen weiter, gemeinsam. Nicht nur auf der Metaebene, sondern da, wo es für die 90% Demokratieüberzeugten in Deutschland am Ende wirklich zählt. Im täglichen Leben. Ich weiß, dass das schnell gesagt ist und viel verlangt. Aber niedriger dürfen wir die Latte nicht legen.

Die Alternative zur Metaebene heißt nicht Populismus. Sondern Machen.

1 Antwort
  1. Wolfgang Reckel

    Dazu die Studie der Bertelsmann-Stiftung vom 17.08.2023: „Einstellungen und Sorgen der jungen Generation Deutschlands 2023“
    https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2023/august/jugendliche-in-deutschland-blicken-optimistischer-in-die-eigene-zukunft-als-vor-einem-jahr#detail-content-236080-3

    „… Die Befragten mit (angestrebtem) mittlerem Schulabschluss bewerteten die Demokratie jedoch nur noch zu 55 Prozent als gut. In der Gruppe der Befragten mit (angestrebtem) niedrigerem Bildungsstand rutscht die Zustimmung zur Demokratie im Vergleich zum Vorjahr um ganze 15 Prozentpunkte ab und liegt aktuell bei lediglich 40 Prozent. Die Demokratie verliert damit in dieser Gruppe zunehmend an Rückhalt. … „

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