Agile Leadership: Hypothesenbildung

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Dieser Post ist Teil einer Toolbox für Agile Leadership für Führung in unserer heutigen „VUCA-Welt“ (VUCA = Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity), in der Berechenbarkeit, Kontrolle und Stabilität wie Relikte aus der Vergangenheit wirken. Jede Welt braucht und erzeugt eine passende Führungskultur. Für die VUCA Welt ist das Agile Führung (Agile Leadership).

Agile Führungsinstrumente werden umso besser funktionieren, je mehr die Organisation insgesamt von einem agilen Mindset geprägt ist (bei ERF – der Sinnsender sind wir gerade in der Transformation in eine agile Organisation). Aber du kannst die Führungsinstrumente in dieser Toolbox auch einzeln anwenden und damit auch in einer klassischen Organisation ein Stück neue, agile Kultur säen. 


Wenn ich die Strategiemeetings meiner 17 Berufsjahre als Führungskraft auf verschiedenen Verantwortungsebenen gedanklich Revue passieren lasse, erinnere ich mich an unzählige Analysen, Brainstormings, Diskussionen, Entscheidungen, Planungen, Besserwisserei, Träumerei. Und an  Gebete (hey – ich arbeite schließlich bei ERF – Der Sinnsender schließlich in einer christlichen Non Profit Organisation).

Nur an eins kann ich mich nicht erinnern: An Hypothesen. Genauer gesagt: An das gemeinsame Aufstellen einer definierten und überprüfbaren Vermutung über die Wirklichkeit plus eine Verabredung, diese Hypothese an der Wirklichkeit zu testen.

Dass ich mich daran nicht erinnern kann, mag am Alter liegen. Viel wahrscheinlicher ist jedoch: Hypothesenbildung ist in der Regel in der Naturwissenschaft Standardmentalität, aber nicht in Führungstrainings und Leadershipbüchern, die zumindest ich so genossen (und viel draus gelernt!) habe. Da geht’s meist eher darum, wie man am grünen Tisch nach irgendwelchen Kriterien vorab die voraussichtlich beste Lösung findet. Wie man in der Gruppendiskussion der besten Idee argumentativ zum Sieg verhilft. Wie man in der Gruppe (oder als Führungskraft unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern) gemeinsame Ownership für diese Lösung erzielt. Wie man in die Umsetzung kommt. Wie man den Zeitplan einhält.

Aber was, wenn die beste Lösung gar nicht vorab zu finden ist?

Nicht weil es keine Lösung für das vorliegende strategische Problem gäbe, sondern weil wir mittlerweile in einer sehr komplexen Welt leben, deren Wirkungszusammenhänge nicht durch Denken oder Reden sichtbar werden. Sondern nur durch Ausprobieren.

Wenn das so ist (und mit Blick auf die zunehmende Komplexität in vielen Branchen halte ich das für wahrscheinlich), ist jedes  theoretische Ringen um den bestmöglichen Ansatz, jede Besserwisserei und Rechthaberei, jedes interne Storytelling und jedes Machtspielchen im Strategiemeeting eins zu viel. Stattdessen wäre die gemeinsame Energie besser investiert in eine gemeinsame Hypothese. In ein gemeinsames Experiment.

Anstatt sich also im Strategiemeeting die Köpfe heiß zu diskutieren, ob „die Leute heute noch Newsletter lesen“ – warum nicht einfach eine Experiment vereinbaren: Wenn wir innerhalb von x Tagen y neue Newsletterempfänger gewinnen, von denen durchschnittlich z Prozent eine unserer E-Mails öffnen, heißt die Antwort „ja“ – und wir setzen strategisch auf dieses Instrument. Andernfalls lassen wir’s.

Klar – das geht nicht mit allen Problemen und Strategiefragen. Aber mit vielen. Und vor allem dann, wenn am grünen Tisch heiß über das mutmaßliche Verhalten Dritter diskutiert wird. Wir machen das bei ERF – Der Sinnsender inzwischen sogar bei der Formulierung von unternehmensweiten strategischen Zielen so (ob’s funktioniert, kann ich noch nicht sagen – auch die Hypothesenbildung bei der gemeinsamen Zielvereinbarung ist ein Experiment).

Ich persönlich finde diesen Aspekt von Agile Leadership extrem entspannend (und ja – Hypothesenbildung liegt mir als Naturwissenschaftler natürlich ohnehin nahe): Im Strategie-Meeting muss ich keine Energie investieren, um meiner (selbstverständlich richtigen!) Meinung den Durchbruch zu sichern. Ich darf einfach sagen: „Probieren wir’s aus!“.

Wir formulieren gemeinsam eine Hypothese, wir bauen eine „Versuchsanordnung“, wir definieren Laufzeit (Timeboxing!) und ein, zwei simple Kennzahlen für die Auswertung – und dann lassen wir die Wirklichkeit da draußen entscheiden.

Es ist nicht wichtig, wer im Meeting recht hat und wer nicht. Denn am Ende entscheidet niemand von uns Anwesenden. Am Ende entscheidet immer die Wirklichkeit.

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