Sprachfähig im Gegenwind

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„Wie werden wir als Christen wieder sprachfähig im Glauben, auch im Gegenwind einer postchristlichen Gesellschaft? Welche Worte und Anknüpfungspunkte sind hilfreich? Und wie können christliche Gemeinden und Verbände diese neue Sprachfähigkeit anstiften, schulen, unterstützen?“

Das war die Fragestellung, zu der ich beim letzten Konvent der Evangelischen Allianz in Deutschland einen Impuls weitergeben sollte. Viele Kirchen und christlichen Kreise stellen fest: Es läuft kommunikativ nicht mehr so wie früher. Und alle fragen sich: Was können wir tun?

Challenge accepted – und mir war schnell klar: Eine ganz offensichtliche Antwort auf die Frage gibt es nicht, denn sonst würde diese Frage nicht an so vielen Stellen der binnenchristlichen Bubble diskutiert werden. Aber vielleicht kann man ja mal den Anmarschweg zu dieser Frage verändern!

Im ersten Schritt habe ich die Frage zunächst einmal auf den Kopf gedreht: Warum wäre es eigentlich leichter, sprachfähig im Glauben zu sein, wenn unsere Gesellschaft nicht post-christlich wäre? Warum wäre es leichter, wenn es keinen Gegenwind gäbe?

Warum wäre es leichter…? Auf diese kopfstehende Frage ist mir dann ganz viel eingefallen, was sich in fünf Kategorien sortieren lässt:

  1. Eigene Haltung
    – weniger Tendenz zu Relativismus
    – weniger Menschenfurcht
    – geringere Gesprächshürde (keiner will schließlich als Sektierer gelten)
  2. Kommunikationsprozess
    – größere gemeinsame Sprachebene
    – man könnte auf mehr Vorwissen aufbauen
    – weniger Confirmation Bias auf beiden Seiten
  3. Mein Gegenüber
    – mehr Bereitschaft zum Zuhören
    – ein größeres Vorschussvertrauen
  4. Kontext
    – es gäbe weniger Alternativangebote zum Glauben
    – Alternativen wären a priori vielleicht sogar benachteiligt
    – die allgemeine Kultur und die Mehrheitsverhältnisse wären eine Stütze für den Glauben
  5. Eigene (christliche) Subkultur
    – es wäre weniger Pluralismuskompetenz erforderlich
    – es gäbe weniger „Identitätspolitik“ in christlichen Kreisen
    – Existierende Sprechunfähigkeit würde überdeckt

Zweiter Schritt: Wenn ich mir all diese Faktoren anschaue, die es leichter machen würden, sprachfähig im Glauben zu sein, wenn Christen nicht dem Gegenwind einer zunehmend post-christlichen Gesellschaft ausgesetzt wären – auf welche dieser Faktoren haben Christen eigentlich wirklich Einfluss?

Ich meine: Was nützt die wehmütige Klage über Dinge, die man ohnehin nicht verändern kann? Vielleicht kommen wir weiter, wenn wir uns auf die Faktoren fokussieren, die wir überhaupt selbst beeinflussen können?

Und siehe da, es gibt tatsächlich welche:

  1. Eigene Haltung
    eigenen Relativismus reflektieren
    – eigene Menschenfurcht überwinden
  2. Kommunikationsprozess
    – Neue Wege, Sprache und Formate riskieren, die weniger Bekanntes voraussetzen
  3. Mein Gegenüber
    – Vertrauen säen (dem anderen mit Vertrauensvorschuss begegnen)
  4. Kontext
    – Den Pluralismus der Ideen verteidigen
  5. Eigene (christliche) Subkultur
    – Grenzgänger belohnen (statt Abweichler zu bestrafen, die Dinge anders machen als in der eigenen Blase üblich)
    – weniger Identitätspolitik betreiben (die nur nach innen kommuniziert, aber nicht aus der Blase heraus)
    – mehr Pluralismuskompetenz schulen (statt nur ein „wir“ und „die“ zu bedienen)

So betrachtet können Christen sowie ihre Kirchen, Gemeinden und Verbände tatsächlich etwas tun, um wieder sprachfähig im Glauben zu sein, auch im Gegenwind einer zunehmend post-christlichen Gesellschaft. Das sind insgesamt acht Pack-Enden (und die meisten davon liegen in der eigenen, christlichen Subkultur begraben).

Da bleibt für den dritten Schritt – zurück zur Ausgangsfrage – eigentlich nur noch die Entscheidung: Was davon ist dein Pack-Ende, das du angehen möchtest? Welches ist das Pack-Ende, an dem deine Kirche, deine Gemeinde, deine Organisation als nächstes arbeiten sollte, wenn sie wieder sprachfähig im Glauben werden will?

Und wie immer gilt: Hey, ich könnte irren. Am Ende entscheidet nicht die beste Theorie, sondern die Praxis.

1 Antwort
  1. Günther

    Wenn jeder „echte“ Jesus-Nachfolger mehr Zeit mit seinem Meister verbringen und dem Hl. Geist mehr Raum geben würde, …

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